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Presseinformation 12.07.2001
 

Argentinienverfahren -

Haftbefehl im Fall Elisabeth Käsemann

 

Das Amtsgericht Nürnberg hat am 11. Juli 2001 auf Antrag der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen den Chef des 1. Heerescorps der Zone 1 der früheren argentinischen Militärjunta Carlos Guillermo Suarez Mason (77) Haftbefehl erlassen. Gegen den Beschuldigten besteht der dringende Verdacht des Mordes zu Lasten der Studentin Elisabeth Käsemann. Die Staatsanwaltschaft legt dem Beschuldigten zur Last, als Befehlshaber der Sicherheitskräfte der Zone 1 in Buenos Aires/Argentinien für die Ermordung von Elisabeth Käsemann in der Nacht vom 23. auf den 24. Mai 1977 verantwortlich gewesen zu sein.
 

Die Staatsanwaltschaft macht den Beschuldigten für folgenden Sachverhalt verantwortlich:

Zwischen dem 8. und 9. März 1977 wurde die deutsche Studentin Elisabeth Käsemann von argentinischen Sicherheitskräften, die unter der Befehlsgewalt und Organisationsherrschaft des Beschuldigten standen, als politisch anders Denkende mit Wissen und Wollen des Beschuldigten entführt und in einer Kaserne in Buenos Aires/Argentinien interniert, wo sie in der Folgezeit
gefoltert wurde. Im Mai 1977 wurde sie in das geheime Haftzentrum „El Vesubio”in der Nähe von Buenos Aires verlegt. In der Nacht vom 23. auf den 24. Mai 1977 wurde Elisabeth Käsemann mit 15 weiteren Gefangenen mit angelegten Handschellen und einer Kapuze über dem Kopf von argentinischen Sicherheitskräften, die unter der Befehlsgewalt des
Beschuldigten standen, mit dessen Wissen und Wollen in den Ort Monte Grande in der Provinz Buenos Aires transportiert und dort unter Ausnutzung ihrer Arg- und Wehrlosigkeit durch Schüsse in Genick und Rücken aus unmittelbarer Nähe getötet.

 

Täterschaft des Beschuldigten

Der Beschuldigte handelte nicht unmittelbar selbst, sondern durch die ihm weisungsunterworfenen Sicherheitskräfte. Als Chef des 1.Heerescorps und Kommandant der Zone 1 hatte der Beschuldigte die absolute Befehlsgewalt und Organisationsherrschaft in seiner Zone. Er kontrollierte jede Verhaftungsaktion und war Herr über Leben und Tod der Gefangenen. Der Beschuldigte war damit mittelbarer Täter im Sinne des Strafgesetzes. Mittelbarer Täter kann derjenige sein, der bestimmte Organisationsstrukturen und Befehlshierarchien ausnutzt, um regelhafte Abläufe auszulösen. Suarez Mason handelte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft als der das System beherrschende Hintermann, der den Willen aller dazugehörender unmittelbar handelnder Vollstrecker der Befehle beherrschte und steuerte. Damit war er strafrechtlich ebenso verantwortlich wie die den Mord unmittelbar ausführenden Täter.

 

Leitender Oberstaatsanwalt Klaus Hubmann erklärt hierzu:

„Voraussetzung für die Feststellung einer mittelbaren Täterschaft im oben genannten Sinne ist immer, dass die Befehlskette vom Beschuldigten zum unmittelbar handelnden Täter vollständig feststeht. Die hier erforderlichen Ermittlungen waren außerordentlich schwierig und vor allem äußerst aufwändig.”

 

Mordmerkmale

Der Beschuldigte handelte heimtückisch im Sinne des Mordtatbestandes, da die Arg- und Wehrlosigkeit von Elisabeth Käsemann bewusst zur Tat ausgenutzt wurde. Das Opfer war gefesselt, trug eine Kapuze ohne Augenschlitze über dem Kopf und wurde von hinten erschossen. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth geht weiter davon aus, dass der Beschuldigte durch die ihm weisungsunterworfenen Sicherheitskräfte auch in der Absicht handelte, die zuvor begangenen Folterungen mit
Freiheitsberaubung zu verdecken und darüber hinaus aus niedrigen Beweggründen handelte, weil er die Tötung allein wegen der anderen politischen Einstellung Elisabeth Käsemanns anordnete.

 

Sonstige Rechtsfragen

Da der Tatort im Ausland liegt und auch kein sonstiger regulärer Gerichtsstand in Deutschland ersichtlich ist, hatte gemäß § 13 a StPO (Strafprozessordnung) der Bundesgerichtshof zu entscheiden, welches deutsche Gericht für das Verfahren zuständig ist.

Der BGH bestimmte das Landgericht Nürnberg-Fürth. Zuständig für das Ermittlungsverfahren ist damit die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Das Amtsgericht Nürnberg – Ermittlungsrichter – hat als zuständiges Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth den Haftbefehl im Ermittlungsverfahren erlassen. Dieser Haftbefehl wird Grundlage einer
von der Staatsanwaltschaft anzuordnenden internationalen Fahndung sein.
 

Bernhard Wankel
Richter am Oberlandesgericht
 

Für Rückfragen:

<typolist>

Kuno Hauck, Pfr.
Sprecher der Koalition gegen Straflosigkeit
Nürnberger Menschenrechtszentrum, Adlerstraße 40, D-90408 Nürnberg.
Tel: 0911 230 5550, Fax: 0911 230 5551
Privat: 0911 30 43 34, Mobil 0179 51 377 88
Vocero de la coalicón contra la impunidad
Centro de Derechos Humanos de Nuremberg
Adlerstraße 40, D-90408 Nürnberg
Tel: +49 911 230 5551, Fax: +49 911 230 5551
Email: kuno.hauck@menschenrechte.org

Esteban Cuya
Koordinator der Koalition gegen Straflosigkeit
Nürnberger Menschenrechtszentrum (.s.o.)
Mobil 0179 16 032 43
Email: koalition@menschenrechte.org

Weitergehende Hintergrundinformation im Internet unter: http://www.menschenrechte.org

</typolist>

 

Mitgliedsorganisationen der ”?Koalition gegen Straflosigkeit”?:

Aktionszentrum Arme Welt, Tübingen
ai Arg. Koordinationsgruppe, Stuttgart
Argentiniengruppe, Köln
Argentiniengruppe, Heidelberg
Argentiniengruppe, Stuttgart
DW der EKD, Menschenrechtsreferat, Stuttgart
Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika - FDCL, Berlin
Kirchlicher Entwicklungsdienst Bayern, Nürnberg
Kommission für Menschenrechte des Vereins der Richter und Staatsanwälte und des Anwaltsvereins, Freiburg
Koordination der Argentiniengruppen in Deutschland, Berlin
Misereor, Aachen
Missionszentrale der Franziskaner, Bonn
Nürnberger Menschenrechtszentrum
Pax Christi L.A. Solidarität, Düsseldorf
Republikanische Anwältinnen und Anwälteverein, Hannover
World University Service, Wiesbaden

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FDCL

Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V

Centro de Investigación y Documentación Chile-América Latina
Centro de Pesquisa e Documentação Chile-América Latina
Gneisenaustraße 2a
10961 Berlin, Alemania, Alemanha
Fon: 49-(0)30-693 40 29; -69 81 89 35
Fax: 49-(0)30-692 65 90
email: fdcl-berlin@t-online.de

Weitere Informationen unter
http://www.fdcl.org