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Öffentliche Hilfe, privater Gewinn

Kritik der deutschen Entwicklungshilfe in Boliviens Wassersektor


Veranstaltung des Projektes Schleichende Privatisierung. Das "deutsche Modell" der Wasserversorgung in Bolivien des Forschungs- und Dokumentationszentrums Chile-Lateinamerika (FDCL), gefördert von der Bewegungsstiftung.

Mit:

Julián Perez (FEJUVE EL ALTO- La Federación de Juntas Vecinales, Bolivien),

Thomas Fritz (FDCL/BLUE21, Berlin)

Ort: FDCL im Mehringhof, Gneisenaustr.2a, 10 961 Berlin, Aufgang 3, 5.Stock [U-Bhf. Mehringdamm]

Zeit: 7.Mai 2006 um 19:00 Uhr.

Eintritt frei!

Die Veranstaltung wird konsekutiv spanisch/deutsch, deutsch/spanisch verdolmetscht.


Bolivien: Die "ehrlichen Makler" in Aktion
Seit über 30 Jahren ist die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Bolivien aktiv. Ver- und Entsorgung im Wassersektor sind neben Landwirtschaft und Staatsreform Schwerpunktbereiche des deutschen Engagements. GTZ und KfW führen derzeit ein bis zum Jahr 2013 laufendes Kooperationsprojekt zur Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung in mehreren Städten Boliviens durch. Ferner sind die Durchführungsorganisationen in der Bewässerungslandwirtschaft und im Management der Wassereinzugsgebiete aktiv.

Gerade in den letzten Jahren aber haben sie sich mit ihrer Arbeit nicht nur Freunde geschaffen. Vor allem die sozialen Bewegungen, die sich mit ihrem Widerstand aus der jahrzehntelangen Repression autoritärer Regime befreien konnten, gerieten wiederholt mit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit aneinander. Dies geschah erstmals bereits im Zusammenhang des sogenannten "Wasserkriegs" von Cochabamba im Jahr 2000. In El Alto kam es Anfang 2005 nach anhaltenden Protesten der Vereinigung der Nachbarschaftsräte FEJUVE El Alto zu einem Dekret des damaligen Präsidenten Boliviens, Carlos Mesa, das die Auflösung des Versorgungsvertrags mit dem Konsortium ‚Aguas del Illimani' vorsah. Unter Führung des französischen Wassermultis Suez war diesem Konsortium 1997 die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung in La Paz und El Alto übertragen worden. Steigende Tarife und Anschlussgebühren sowie die Nichterfüllung von Versorgungszielen brachte die Bevölkerung in der Folge gegen Suez auf. In El Alto blieben 200.000 Menschen von der Versorgung ausgeschlossen. In dieser Situation intervenierten die deutschen Entwicklungsagenturen gemeinsam mit dem Wirtschaftsattaché und der deutschen Botschaft: Sie beklagten sich über das Präsidentendekret, forderten ein "gemischtes" Unternehmen mit Privatsektorbeteiligung und legten ein in Aussicht gestelltes Darlehen der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auf Eis.

El Alto ist kein Einzelfall
Es ist nicht das erste Mal, dass die deutsche Entwicklungshilfe für Konflikte in Bolivien sorgt. Denn sie begnügt sich keineswegs damit, deutsche Steuergelder in eine verbesserte Wasserinfrastruktur zu kanalisieren. Vielmehr übt vor allem ihre technische Hilfe maßgeblichen Einfluss auf die Regulierung des Wassersektors sowie auf Politik, Ministerien und Behörden aus. So war die GTZ an der Ausformulierung von Gesetzen und Dekreten beteiligt, die einer schleichenden Kommerzialisierung den Weg bereiten. Aus ihrer Feder stammt der offizielle ‚Plan Bolivia', der die "Zersplitterung" in viele kleine Versorger durch "strategische Allianzen" zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen zu überwinden trachtet.

Entwicklungspolitische Praxis

Das Beispiel Boliviens weist auf eine Dimension der entwicklungspolitischen Praxis hin, die in den Evaluierungen und Gutachten der deutschen Entwicklungspolitik weitgehend unterbelichtet bleibt. Finanzielle und technische Zusammenarbeit versuchen Änderungen der Rechts- und Regulierungssysteme in den Partnerländern nicht nur anzuregen, sondern durch teils massiven Druck zu erzwingen. Inhaltlich zielen diese Eingriffe in eine souveräne, demokratische Rechtsentwicklung auf die Absicherung von Investorenrechten, die Förderung von Privatsektorbeteiligungen und damit auf die Durchsetzung transnationaler Konzerninteressen ab.

Aufgrund der politischen Privatisierungsvorgaben sind die Durchführungsorganisationen in den betroffenen Ländern vielfach Partei, und eben nicht der so häufig beschworene Moderator und Mediator. Die von ihnen entworfenen Sektorreformen, ihr "Capacity Building" sowie ihre Managementberatungen bereiten den Boden für fortschreitende Kommerzialisierungen und Privatisierungen vor. Ihre Interventionen gehen dabei so weit, dass sie die Errungenschaften demokratisch-partizipativer Verfahren, wie z.B. das modifizierte bolivianische Siedlungswassergesetz 2066, zu unterminieren versuchen, wenn diese den eigenen Zielen zuwiderlaufen. Das Dekret 26587, welches die von GTZ und KfW progagierten gemischten Aktiengesellschaften legalisiert, steht im Widerspruch zu den im Gesetz 2066 gewährten Schutzrechten für traditionelle Wassersysteme.

Zudem scheuen sie sich auch nicht, die Anwendung des geltenden Rechts zu diskreditieren und zu konterkarieren, wenn dies transnationalen Konzerninteressen schaden könnte. Die bolivianische Regierung verfügte nach dem Gesetz 2066 über das Recht zur Wiederrufung von Konzessionen und zur präventiven Intervention. Dass diese Möglichkeit auf Druck der Bevölkerung auch wahrgenommen wurde, ist ein demokratischer Fortschritt.

Weiterer Ausweis der Parteilichkeit der Entwicklungszusammenarbeit sind ihre Versuche der Diskreditierung sozialer Bewegungen, die gleichermaßen gegen Privatisierung und Korruption kämpfen und bei der Demokratisierung von lange Zeit autoritär regierten Ländern wie Bolivien eine entscheidende Rolle spielten. Diese Diskreditierungsversuche zeigen sich nicht nur, wenn gegenüber der Presse von "radikalen Gruppen" gesprochen wird, sondern auch wenn ein KfW-Mitarbeiter den Nachbarschaftsräten unterstellt, ihnen ginge es "vornehmlich um die Beendigung der Konzession für ‚Aguas del Illimani' und weniger um die Erhöhung der Zahl der Wasseranschlüsse oder die Senkung der Anschlussgebühren".

Zugleich hüllen sich die Entwicklungsagenturen aber in vornehmes Schweigen, was die Unregelmäßigkeiten bei der Konzessionsvergabe, die Schwächen des Vertrags und die eigene Mitverantwortung für die gescheiterte Privatisierung betrifft. Zu Recht fragt die FEJUVE in ihrem Brief an die drei Entwicklungsbanken: "Warum meldeten Sie sich nicht zu Wort und stellten den Vertrag in Frage, bevor Sie zu Teilhabern wurden und Aguas del Illimani Kredite gewährten?" (FEJUVE 2005). Die Frage der Mitverantwortung ist uneingeschränkt auch an die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zu richten. Sie beeinflusste nicht nur den Rechtsrahmen, in dem private Konzerne in Bolivien operieren, sondern engagierte sich auch vor und während der Privatisierung in La Paz und El Alto. Zudem ist sie Anteilseignerin der Weltbank und ihrer Tochter IFC, die seit 2001 an dem Konsortium Aguas del Illimani beteiligt ist.

Zusammen mit unseren Referenten aus Bolivien und Deutschland versuchen wir, den Konflikt um das "deutsche Modell" der Wasserversorgung von GTZ und KfW in Bolivien nachzuzeichnen und zu diskutieren.

Weitere Hintergrundinformationen finden sich auf unserer Projektseite "Schleichende Privatisierung".

Diese Veranstaltung wird gefördert durch:

Bewegungsstiftung

 

This event was made possible through the financial support of the European Community. The opinions expressed therein represent the opinion of the speakers/organizations and do not represent the official opinion of the European Community.

This event was elaborated within the framework of the cooperation-project "Handel-Entwicklung-Menschenrechte" of the Heinrich Böll Foundation (hbs), the Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL), and the Transnational Institute (TNI). More information at:

http://www.handel-entwicklung-menschenrechte.org 


FDCL, Berlin: fdcl-berlin.de/de/
TNI - Transnational Institute, Amsterdam: www.tni.org
Fundação Heinrich Böll, Rio de Janeiro: www.boell-latinoamerica.org/pt/nav/35.htm
Heinrich Böll Stiftung, Referat Lateinamerika, Berlin: www.boell.de