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14.12.2009 Kohlenstoff versenken – Land und Wald im Zugriff des Klimaschutzes

Kohlenstoff versenken – Land und Wald im Zugriff des Klimaschutzes

Zeit: Montag, den 14.12.09 um 19:00 Uhr
Ort: Haus der Demokratie und Menschenrechte, Robert-Havemann-Saal,
Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin

Informations- und Diskussionsveranstaltung mit

Achim Brunnengräber (Privatdozent im Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der FU Berlin):
Ablasshandel gegen Klimawandel: Kann der Markt das Klima retten?

Thomas Fritz (FDCL):
REDD, Monsanto und die Klimarentiers: Gewinner und Verlierer der Senkenprojekte

Markus Kröger ("Maattomien ystävät" ("Friends of the landless", Finnland); University of Helsinki; Editor-in-Chief: El Norte - Finnish Journal of Latin American Studies):
Kohlenstoffsenke Monokultur: Zellulose-Plantagen und Vertreibung in Brasilien

Moderation: Jan Dunkhorst (FDCL)

Mit Simultan-Verdolmetschung deutsch-englisch
Eintritt frei

Veranstalter: FDCL - Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V.

Kohlenstoff versenken – Land und Wald im Zugriff des Klimaschutzes

Das florierende Geschäft mit Emissionsgutschriften soll dem Klimaschutz dienen, braucht aber immer mehr Land. Denn es entsteht ein neues Segment des marktbasierten Klimaschutzes: der Erhalt von Böden, Wiesen und Wäldern als Kohlenstoffsenken. Regierungen, Unternehmen und Privatpersonen investieren in, so die Annahme, emissionsmindernde Projekte (etwa Waldschutz, Aufforstung, Bioenergie, bodenschonenden Ackerbau) und erhalten dafür ein Zertifikat. Während dies Privatpersonen ein gutes Gewissen verschafft, dient es Unternehmen zur Imagepflege oder zur Anrechnung auf ihre verpflichtenden Emissionsminderungen in regulierten Kohlenstoffmärkten.

Auf den Kohlenstoffmärkten in den USA und Kanada sind viele Senkenprojekte bereits zugelassen, im Europäischen Emissionshandelssystem bisher noch nicht. Großbauern, die im „pfluglosen”Ackerbau genmanipulierte Monsanto-Soja produzieren, ernten zusätzlich Emissionsgutschriften, da diese Methode vermeintlich Kohlenstoff im Boden belässt. Die Gutschriften können die Bauern auf dem Markt verkaufen, etwa an Banken, die Kohlenstofffonds auflegen, oder an Händler der Chicagoer Kohlenstoffbörse CCX. Ähnliche Möglichkeiten entstehen nun für monokulturelle Agroenergieplantagen, für Aufforstungen mit Pinien oder Eukalyptus oder für die Verwandlung von Wäldern in abgeriegelte Schutzgebiete.

Einzelne Senkenprojekte existieren auch unter dem Clean Development-Mechanismus (CDM) des Kyoto-Protokolls. Dieser ermöglicht es Industrieländern, einen Teil ihrer CO2-Reduktionsverpflichtungen durch Klimaschutzinvestitionen in Entwicklungsländern zu erbringen. Ein Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls soll das Spektrum zulässiger Senkenprojekte erweitern. So laufen derzeit intensive Verhandlungen, um die „Reduzierung der Emissionen aus Entwaldung und Degradierung”(REDD) in ein neues Klimaabkommen zu integrieren. Daneben mobilisieren Entwicklungsagenturen und Agrarkonzerne, um auch Landwirtschaft als eigenständige Säule zu verankern und die CDM-Kriterien zu lockern. Ihr Ziel: Emissionsgutschriften sollen höhere Investitionen in die Landwirtschaft des Südens locken.

Dies verweist auf das entscheidende Dilemma: Mittel für Waldschutz und nachhaltige Landwirtschaft sind dringend erforderlich. Die Frage ist aber, ob Senkenprojekte nicht eher das Agrobusiness fördern, eine Anlagesphäre für das Finanzkapital schaffen und damit die weltweite Jagd nach knappem Land befeuern. Denn der Wert von Feldern, Wiesen und Wäldern steigt durch das zufließende Kapital. Großgrundbesitzer können eine noch höhere Bodenrente einstreichen, da sie nun auch zu Klima-Rentiers werden. Der marktbasierte Klimaschutz nährt so nicht nur die Finanz-, sondern auch die Bodenspekulation. Dies aber verstärkt den Verdrängungsdruck auf die ärmsten Wald- und Landnutzer im Süden: Indigene, Kleinbauern und Hirten.

Das Fallbeispiel Brasilien demonstriert in exemplarischer Weise, welche Folgewirkungen mit den expandierenden „Grünen Wüsten”einhergehen. So sind bspw. die gewaltige Agrarflächen belegenden  Eukalyptusmonokulturen zur Zellulose-Gewinnung nicht nur Teil der in Brasilien groß angelegten Produktion von Agrotreibstoffen, sondern werden gleichsam auch als Kohlenstoffsenken gehandelt. Die Expansion der Baumplantagen verschärft die Konflikte um den Zugang zu Land und zu Wasser. Die brasilianische Landlosenbewegung MST hat daher eine Kampagne gegen die zunehmende Ausweitung des Zelluloseanbaus gestartet.

Mit dieser Veranstaltung möchte das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) die Folgen des Emissionshandels am Beispiel von Wäldern und Landwirtschaft diskutieren. Der aktuelle Hintergrund sind zum einen die enorme Zunahme von Landgeschäften und Flächennutzungskonflikten in Entwicklungsländern, zum anderen die anstehenden Verhandlungen für ein Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls im Dezember 2009 in Kopenhagen.

Diese Veranstaltung wird gefördert von InWEnt GmbH aus Mitteln des BMZ und der Stiftung Umverteilen!