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15.12.2009 „Amazonien im Visier des Agrobusiness”

„Amazonien im Visier des Agrobusiness”
Landnahme und Zerstörung des Regenwaldes in Amazonien – Agrarreform als Ausweg?


Zeit: Dienstag, den 15.12.09 um 19:00 Uhr
Ort:  Alte Feuerwache (Seminarraum 1),
Axel-Springer-Str. 40/41, 10969 Berlin-Kreuzberg (U 6 Kochstr.; U2 Spittelmarkt)

Informations- und Diskussionsveranstaltung mit

Kelly Manfort (Nationaler Leitungskreis der MST/Sao Paulo):
„Industrielle Agrarproduktion in Brasilien und Zugriff auf das Land in Amazonien”

Neuri Rossetto (Nationaler Leitungskreis der MST):
“Agrarreform in Brasilien: Kleinbäuerliche Landwirtschaft als Ausweg?”

Moderation: Thilo F. Papacek (Lateinamerika Nachrichten)

Mit Simultan-Verdolmetschung portugiesisch - deutsch
Eintritt frei

Veranstalter: FDCL - Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V.

„Amazonien im Visier des Agrobusiness”
Landnahme und Zerstörung des Regenwaldes in Amazonien – Agrarreform als Ausweg?


Im Zuge der sich zuspitzenden globalen Klima-, Energie- und Ernährungskrise rückt auch das Amazonasgebiet wieder vermehrt in den Fokus des internationalen Interesses. Das Amazonasgebiet umfasst eine Fläche von etwa acht Millionen Quadratkilometern; neun Staaten können den Anspruch erheben, dass ein Teil ihres Territoriums zu Amazonien gehört – der weitaus größte Teil gehört aber zu Brasilien.

Zumindest den Worten nach besteht in der Weltgemeinschaft Einigkeit darüber, dass das Amazonasgebiet geschützt und erhalten werden muss. Denn Amazonien erfüllt mit seinen Wäldern als „Lunge der Welt”(Kohlendioxidspeicher), mit seiner Biodiversität und als gigantisches Süßwasserreservoir wichtige (globale) Naturraumfunktionen. Gleichzeitig jedoch steht Amazonien angesichts der Vielzahl der dort vorhandenen Rohstoffe und Ressourcen auch unter erheblichem Nutzungs- und Inwertsetzungsdruck, mit dem die Auseinandersetzungen um die Kontrolle des Produktionsfaktors Land zusehends schärfer werden.

Die Expansion des vornehmlich auf den Export ausgerichteten Agrarsektors spielt dabei eine entscheidende Rolle: Neue landwirtschaftliche Nutzflächen für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion wie Viehwirtschaft werden gesucht, die vom Agrobusiness bevorzugt in Amazonien ausgemacht werden. Gleichzeitig wird der  Anbau von Energiepflanzen forciert, was direkte und indirekte Landnutzungsänderungen in Amazonien hervorrufen und den Druck auf den Regenwald und die in weiten Teilen der Amazonasregion zugehörigen Feuchtsavannen des so genanten Cerrado im Westen Brasiliens drastisch erhöhen wird. Eine weitere Verdrängung der dort lebende Bevölkerung wie der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und eine Zunahme von oft gewalttätigen Landkonflikten sind die Folge.

Der viel zitierte Weltagrarbericht, der von über 500 internationalen Wissenschaftlern erstellt und im April 2008 in Johannesburg vorgestellt wurde, kam zu der Schlussfolgerung, dass die Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft (Ausweitung der Agrarflächen, Rationalisierung der Produktion und 'Modernisierung') die zentralen Probleme – Bekämpfung des Hungers, Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Lande und Schutz der natürlichen Ressourcen wie Boden und Wasser – nicht gelindert hat. Der Bericht empfiehlt daher dringend, dass zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und der ökologischen Nachhaltigkeit die kleinbäuerlichen Strukturen gestärkt werden müssen. Doch geändert hat sich seit dem nichts: Dies wurde während des im November diesen Jahres in Rom abgehaltenen UN-Welternährungsgipfels neuerlich demonstriert. Bei der UN-Klimakonferez in Kopenhagen wiederum ist absehbar, dass trotz der immensen Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft auf die Treibhausgasbilanzen die Notwendigkeit der Umstellung der landwirtschaftlichen Produktion von industriellen Monokulturen auf eine – klimafreundlichere – kleinbäuerliche, kleinräumigere, nachhaltige Landwirtschaft keinen Eingang in die offizielle Agenda findet. Und in Brasilien schreitet die Landnahme durch die industrielle Landwirtschaft unvermindert voran und damit auch der Zugriff auf das Amazonasgebiet.
Für das weltweite Netzwerk von über 100 Kleinbauern-, Landarbeiter-, Landlosen- und Indigenenorganisationen aus Europa, Amerika, Afrika und Asien Via Campesina ist die vom Weltagrarratsbericht vertretene Erkenntnis nicht neu: seit 1993 kämpft und arbeitet die Via Campesina-Bewegung für kleinbäuerliche nachhaltige Landwirtschaft im Zeichen der Ernährungssouveränität und des Erhalts der natürlichen Ressourcen. Als Mitglied der Via Campesina sieht sich auch die brasilianische „Bewegung der Landlosen”(Movimento dos Sem Terra - MST) diesem Kampf für eine andere Form der Entwicklung auf dem Land verpflichtet. Dabei stößt sie auf den erbitterten Widerstand der mit dem Agrar(export)sektor assoziierten Interessengruppen in Brasilien. Seit Jahren ist eine der zentralen Forderungen der MST die nach einer Agrarreform in Brasilien, einem Land, das geprägt ist durch eine extrem ungleiche Landverteilung - etwa 10 % der Bevölkerung besitzen rund 80 % des Landes. Die nun seit 25 Jahren bestehende MST ist die größte soziale Bewegung Lateinamerikas. Sie hat knapp 3 Millionen Mitglieder, ist heute bereits in 25 der 27 Staaten Brasiliens vertreten und mit ihren umfassenden sozialen, ökologischen und politischen Forderungen der wichtigste zivilgesellschaftliche Akteur in Brasilien.

 

Diese Veranstaltung wird gefördert von InWEnt GmbH aus Mitteln des BMZ und der Stiftung Umverteilen!