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Agroenergiepflanzen-Glossar

Photo: Kurt Damm (FDCL)

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Glossar zu Agroenergiepflanzen

Verfaßt von Sandra Schuster und Franziska Löschner

FDCL - Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika

Berlin, Ende 2008

 


Purgiernuss (Jatropha)

Jatropha in Ecuador. Photo: Klaus Schenck (Salva la Selva)
Jatropha mit Früchten. Aufgenommen in Ecuador. Photo: Klaus Schenck (Salva la Selva)
Jatropha-Früchte. Aufgenommen in Ecuador. Photo: Klaus Schenck (Salva la Selva)
Jatropha-Zaun. Aufgenommen in Ecuador. Photo: Klaus Schenck (Salva la Selva)
Jatropha mit noch unreifen Früchten. Aufgenommen in Kenia. Photo: Nekofa
Jatropha mit reifen Früchten kurz vor der Ernte. Aufgenommen in Kenia. Photo: Nekofa
Jatropha-Farmer in Kenia. Photo: Nekofa

(en: physic nut / purging nut / jatropha curcas / Barbados nut, es: jatropha curcas / jatrofa, pt: pinhão manso / jatropha / purgueira, fr: pourghère, pignon d’Inde, jatropha

Familie: Euphorbiacaea (Wolfsmilchgewächse)

Herkunft und Geschichte:
Stammt aus dem tropischen Südamerika, gelangte durch portugiesische Seefahrer nach Afrika und Asien und wächst nun überall in den tropischen Regionen

Biologie:
Strauch oder Busch mit efeuähnlichen Blättern, erreicht eine Höhe von bis zu fünf Metern. Die weiblichen Blüten bilden aus drei Fruchtblättern Kapseln (Nüsse) mit 1-2 Samen, die einen Ölanteil zwischen 20 und 40 Prozent aufweisen, Samen sind toxisch aufgrund des Gehalts an Curcin und Phorbolester; Beginn der Nussproduktion in der Regel im 4. Jahr, 10. Jahr Höhepunkt (Vgl. gtz / Wiesenhütter 2003, „Nutzung von Purgiernuss (Jatropha curcas L.) zur Desertifikationsbekämpfung und Armutsminderung”)

Ansprüche:
Geringe Ansprüche an Boden, wächst allerdings schlecht auf Lehmböden und reagiert empfindlich auf Staunässe, sehr wärmeliebend, verträgt nur leichte Fröste, empfindlich gegenüber Wind. Tolerant bei der Wasserverfügbarkeit – übersteht Trockenheit bis zu 6 Monaten, aber Niederschlag sollte nicht weniger als 600 mm/ Jahr betragen (bei Höhenlagen zwischen 600 und 850 Metern über Meeresspiegel). Minimum ist allerdings stark von lokalen Bedingungen abhängig, beispielsweise können ggf. bei hoher Luftfeuchtigkeit 250 mm ausreichen. Grundsätzlich: Pflanze bringt auf besseren Böden und guter Wasserversorgung höhere Erträge hervor (Vgl. B. Eckner, "Nutzung von Jatropha zur Treibstoff-Gewinnung")

Düngung:
Reagiert auf schlechten Böden durchaus positiv auf Düngung – höhere Erträge

Schädlingsbekämpfung:
Krankheiten treten bei Plantagen mit Monokultur auf – Insektizid-, Fungizid- und Herbizideinsatz (BayerCrop Science plant die Entwicklung und Registrierung von Herbiziden, Bodeninsektiziden und Fungiziden)

Ertrag:
Durchschnittlich 2,5 T/ ha

Hauptanbauländer / -regionen:
Indien, China, Indonesien, Afrika (weltweite Anbaufläche wird von Global Exchange for Social Investment / GEXSI im Juli 2008 auf 1 Millionen geschätzt (vgl. GEXSI 2008 , „Global  Jatropha Market Study”)

Produkt und Verwendung:
Pflanzenöl für Treibstoffgewinnung – Agrodiesel. Nicht-essbares winterhartes Gewächs, mäßiger Treibstoffertrag: liegt bei 2 Tonnen Dieselöl pro Hektar und Jahr (vgl. Caritas international / Arnold 2007), gleichwohl wird bei gezielter züchterischer Bearbeitung von höheren Erträgen ausgegangen (vgl. Eckner, B., "Nutzung von Jatropha zur Treibstoff-Gewinnung"); energetische Nutzung zudem als Lampen- und Kocheröl, ganze Pflanze und Früchte als biogener Festbrennstoff; Pressrückstande sind als stickstoffreicher Dünger verwendbar und können nach Entgiftung als Futtermittel genutzt werden, was sich allerdings älteren Berichten zufolge als nicht empfehlenswert erwiesen hat (vgl. gtz / Wiesenhütter 2003), aktuellen Angaben zufolge plant D1 Oils Patentanmeldung für neuere Verarbeitungsmethode (URL biofuelsdigest.com 5/2/2009); Öl wird zudem zur Herstellung von Seife verwendet, als Heckenpflanze zur Umzäunung von Feldern vor allem in Afrika weit verbreitet

Gen-, Biotechnik:
BayerCrop Sciene: Saatgut, Pflanzenschutzmittel für Jatropha, gentechnische Forschung an der Herbizidresistenz (vgl. Gura, AG Biodiversität Forum Umwelt und Entwicklung, "Jatropha: Greenwashing mit "Bio"-Treibstoff", in: Stichwort Bayer 01/2008); Entwicklung von Hochertragsorten durch britische Unternehmen D1 Oils: Sammlung von über 200-Jatropha-Varietäten aus 20 Ländern, Zuchtprogramm in Indien zur Produktion von Hybriden, die sowohl ertragsreicher aufgrund höheren Ölgehalts sowie widerstandsfähiger gegen Trockenheit sind (vgl. URL tinyurl.com/275df8); US-amerikanische Firma Xenerga Inc.: Jatropha mit hohen Oktanwerten (vgl. grain / regenwald, "Jatropha – Agrartreibstoff der Armen?"); Public-Private-Partnership von Daimler(Chrysler) mit indischem Central Salt & Marine Chemical Research Institute und Universität Hohenheim, gefördert durch Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft in Indien (Orissa, Gujarat): Optimierung von Anbaumethoden, Züchtung und Vermehrung von Hochertragspflanzen, 60 % Ölanteil im Samen (Vgl. Projektdarstellung "DaimlerCrysler gewinnt Biodiesel aus indischer Ödnis")

Führende Unternehmen:
Als Marktführer gilt britisches Unternehmen D1 Oils, Jatropha-Plantagen in Indien, China, Indonesien, Sambia, Swaziland, tätig in der Raffinierung und Handel mit Biodiesel (vgl. URL http://www.d1africa.com/agronomyPlanting.php); BP (Joint Venture mit D1 Oils, geplante Pflanzungen über eine Million Hektar 2007-11); übersektoriale Kooperation zwischen Archer Daniels Midland Company (ADM), Bayer CropScience und Daimler AG (Bayer CropScience, Presse-Information, 9/1/2008, "Neue Biokraftstoff-Pflanze mit Potenzial"); im schweizerischen Zurzach plant Firma GBF Green Bio Fuel AG eine Raffinerie, die u.a. Jatropha aus Mosambik für Treibstoff nutzen will, im Januar 2008 befand sich die Umweltverträglichkeitsprüfung für den Bau nach Worten des GBF-Geschäftsführers in der Endphase (URL www.landwirtschaft.ch/de/aktuell/agronews/detail/article/2008/01/03/biodieselanlage-in-zurzach-geplant/)

Bemerkungen zur Treibhausgasbilanz:
Bewertung des Daimler-Projekts in Indien durch Ifeu-Institut: ca. 50 % Einsparung gegenüber fossilem Diesel, unter guten Bedingungen bis zu 100 %, höchste Effekte zur CO² Minderung werden durch Verbrauch in Anbauländern gesehen. (Vgl. Frankfurter Rundschau 1/4/2008, "Das Energiebündel", Kurzfassung der Ifeu-Bewertung, URL www.ifeu.de/index.php)

Bemerkungen zur Umweltbilanz:
Hohe Erwartungen werden an Jatropha im Sinne einer "nachhaltigen Energieerzeugung" geknüpft und positiv herausgestellt: Trockenresistenz, "wenig Anforderungen an die Bewässerung" (BP 29/6/2007, "BP und D1 Oils produzieren Biodiesel aus Jatropha"), verzweigtes Wurzelwerk, Aufwertung unfruchtbarer Böden (BMELV stellt Jatropha-Anbau für Biodieselproduktion in Kontext der Vermeidung von Wüstenbildung, vgl. BMELV / FNR 2008, Magazin Nachwachsende Rohstoffe, "Überlebenskünstlerin: die Ölnuss Jatropha")

Dem widersprechen: Argumente der Profitabiltät / Gewinnspanne: Plantagen auf fruchtbaren Böden generieren höhere Erträge, bzw. Zweifel bestehen darüber, ob die auf marginalen Flächen erwirtschafteten Erträge ausreichen, um das Energiematerial zu attraktiven Kosten zu erzeugen (Vgl. etwa: Mozambique Biofuels Assessment, Final Report, Mai 1, 2008: 404)

Ökobilanz / Empa-Forscher (Projekt: Jatropha-Anbau für lokale Stromversorgung in Indien): attestieren gute Ökobilanz, wenn Jatropha gleich vor Ort genutzt wird und man die Verarbeitungsmethoden optimiert. Dies gelte nicht für Großplantagen. (Vgl. URL www.co2-handel.de/article342_10099.html)


Hinweise / Verschärfung Armut:
Indien: Nationaler Biosprit-Plan der Regierung sieht Beimischungsanteil von 20 Prozent vor, Anbaufläche für Jatropha soll von gegenwärtig 650.000 auf 11 Mio ha. erweitert werden. Die britische Transportministerin Ruth Kelly gab zu Bedenken, dass laut einer Bewertung zur Einführung von Biotreibstoffen in der Europäischen Union allein in Indien 10,7 Mio. Einwohner zusätzlich in Armut gerieten. Rund eine halbe Milliarde Einwohner des Subkontinents gelten bereits als arm (Vgl. Schattenblick 15/09/2008, "Ressourcen/098: Indien legt hohes Agrosprit-Ziel fest")

Erschwerter Zugang zu Ressourcen:
Indien: Zur Kritik an der Ausweitung des Jatropha-Anbaus auf "Ödland" aufgrund großer Abhängigkeit der ländlichen Bevölkerung von diesem Land. Häufig handelt es sich kollektives Gemeingut, das zum Sammeln von Feuerholz, Nahrung, Futtermittel, Holz und Stroh genutzt wird. In ariden und semi-ariden Gebieten Indiens bestreiten arme Haushalte rund 12 bis 25 % ihres Einkommens hierüber. Nicht selten trägt die Landnutzung zur Aufwertung ihres Status innerhalb der Dorfgemeinschaft bei, insbesondere gegenüber reicheren Haushalten, die dieses Land weniger nutzen. (Vgl. Rajagopal 2007, „Rethinking Current Strategies for Biofuel Production in India”URL http://www.iwmi.cgiar.org/EWMA/files/papers/rajagopal_biofuels_final_Mar02.pdf).

Verletzung kollektiver Landrechte:

Vertreibung:
Indischer Bundesstaat Chhattisgarh: Studie der indischen NRO Navdanya deckt Verletzung kollektiver Landrechte im Kontext der Schaffung von Jatropha-Plantagen auf. Auf einer Pressekonferenz berichten Kleinbauern, dass sie unter Androhung von Gefängnisstrafen ihr Reisland für den Jatropha-Anbau übergeben mussten. Die Trägerin des Alternativen Nobelpreises Right Livelihood Award, Dr. Vandana Shiva, zusammen mit Manu Sankar Verfasserin der Studie, warnen vor dem Kollaps der ländlichen sozial-ökologischen Systeme in Zusammenhang des wachsenden Anbaus von Jatropha für die Produktion von Biodiesel. (Vgl. Navdanya, Press Release 5/12/2007, "Biofuel Hoax: Jatropha and Land Grab", URL www.navdanya.org/news/5dec07.htm)

China: im Südwesten, ein Großteil des als unfruchtbar und dürr geltenden Landes, das für die Jatropha-Produktion identifiziert wurde, ist im Besitz von Dorfgemeinschaften (Kollektiven), die das Nutzungsrecht individuellen Haushalten gewähren. Für Yunnan beispielsweise hat eine Provinzstudie herausgefunden, dass 76 % des Waldlandes lokalen Gemeinden gehört, wohingegen sich die verbleibenden 24 % im Besitz des Staates befinden. Die meisten privaten Investitionen in Agrotreibstoffe bezogen sich bislang auf Gebiete in Staatsbesitz, allerdings ist zu befürchten, dass ehrgeizige Ziele einer Ausweitung der Jatropha-Produktion die Kultivierung von kollektiven Landflächen einschließt (Weyerhaeuser et al. / World Agroforestry Centre 2007, "Biofuels in China. An Analysis of the Opportunies and Challenges of Jatropha Curcas in Southwest China", URL www.worldagroforestrycentre.org/SEA/Publications/Files/workingpaper/WP0088-07.pdf)


Vertreibung, fragwürdige Landnahme:

Tansania:
Beim Projekt des britischen Unternehmens Sun Biofuels im Kisarawe-District mit Nutzungsrechten über eine Fläche von 9.000 ha Land war Berichten zufolge mit der Räumung von 11 Dörfern verbunden, die gemäß der Bevölkerungszählung (Zensus) von 2002 für 11.277 Menschen eine Heimat darstellten. Etwa 632.400 US Dollar wurden für Entschädigungszahlungen bereitgestellt. Bei 2.840 Haushalten, denen nach Medienberichten ein Recht auf Entschädigung eingeräumt wurde, macht das rund 222,6 Dollar pro Haushalt. Sun Biofuels verhandelte mit den Dorfchefs über die Nutzungsrechte, die nach Angaben des Unternehmens ihre Zustimmung gaben, gleichwohl gaben mehrere Gemeinden an, nichts von den Plänen gewusst zu haben. (Vgl. Afrique en ligne 12/08/2007, "Thousands of Tanzanian peasants to be displaced for biofuel farm", für weitere Informationen zu dem Fall vgl. zudem Oxfam / JOLIT, LARRI 2008, "The Agrofuel Industry in Tanzania: A critical enquiry into challenges and opportunities")

Ghana:
Norwegisches Unternehmen BioFuel Africa trotzte Rodungs- und Nutzungsrechte über ein 38.000 Hektar großes Areal einem Dorfführer ab, der weder lesen noch schreiben konnte. Er hatte seine Zustimmung per Daumenabdruck gegeben. Wie sich später herausstellte, hatte ein Mitarbeiter der Regierung das Projekt gefördert und den Türöffner für das Geschäft gespielt. Entgegen den gesetzlichen Bestimmungen war die lokale Bevölkerung nicht befragt worden. In einer öffentlichen Debatte über das Für und Wider des Jatropha-Projekts haben die Bewohner dagegen votiert. Vgl. Fallarbeit: Nyari, Bakari / RAINS, “Biofuel land grabbing in Northern Ghana”, URL www.africanbiodiversity.org/media/1209023019.pdf)


Weitere Informationen / Hinweise:
Biofuels Markets East Africa: http://www.diligent-tanzania.com/ : auf der Webpage stellt sich die Firma Diligent vor, die Anbau von Jatropha in Tanzania vornimmt.

Projekt der Universität Hohenheim: "Jatropha curcas Anbau in Madagaskar – multiple wissenschaftliche Analyse"; Ziel: grundlegende Fragen zum Anbau auf degradierten Böden in Madagaskar zu klären; Link: https://www.uni-hohenheim.de/67721.html?typo3state=projects&lsfid=1915

Förderung der Jatropha-Forschung in Ostafrika durch DEG / Deutsche Investitions- u. Entwicklungsgesellschaft: Public-Private-Partnership umfasst Aufbau von elf Versuchsplantagen in Kenia, Tansania, Uganda; URL www.presseportal.de/pm/6681/1339650/deg_dt_invest_und_entwicklungsges

Zum "Mythos marginaler Flächen" in Afrika und den Folgewirkungen des wachsenden Anbaus von Energiepflanzen, insbesondere Jatropha: u.a. werden die Risiken für Pastoralists, nomadische Viehhirten, aufgegriffen, denen das Weideland, das häufig als "waste land" und somit als "ungenutzt" eingestuft sind, die Grundlage ihres Lebensunterhaltes stellt. (African Biodiversity Network, "Agrofuels and the Myth of the Marginal Lands", URL http://www.africanbiodiversity.org/resources.php)

NRO-Kleinprojekte zur lokalen Energieversorgung in Mali mit längerer Vorgeschichte (URL http://www.malifolkecenter.org)



Gefördert von der Deutschen Behindertenhilfe - Aktion Mensch e.V., der Europäischen Union und der InWEnt GmbH aus Mitteln des BMZ.


 

 

This publication was made possible through the financial support of the European Community. The opinions expressed therein represent the opinion of the author and do not represent the official opinion of the European Community.

This publication  was elaborated within the framework of the cooperation-project "Handel-Entwicklung-Menschenrechte" of the Heinrich Böll Foundation (hbs), the Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL), and the Transnational Institute (TNI). More information at:

http://www.handel-entwicklung-menschenrechte.org



FDCL, Berlin: fdcl-berlin.de/de/
TNI - Transnational Institute, Amsterdam: www.tni.org
Fundação Heinrich Böll, Rio de Janeiro: www.boell-latinoamerica.org/pt/nav/35.htm
Heinrich Böll Stiftung, Referat Lateinamerika, Berlin: www.boell.de