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Agroenergiepflanzen-Glossar

Photo: Kurt Damm (FDCL)

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Glossar zu Agroenergiepflanzen

Verfaßt von Sandra Schuster und Franziska Löschner

FDCL - Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika

Berlin, Ende 2008

 


Reis (Oryza sativa)

Reispflanze. In der Nähe des Volta-Flusses im östlichen Ghana, im April 2009. Photo: Steffi Holz
Reiskörner. Photo: FDCL

(en: rice, es: arroz, pt: arroz, fr: riz)


Familie: Poaceae (Süßgräser)


Herkunft und Geschichte:

Heimat ist nicht genau bekannt. Wahrscheinlich wurde Reis schon 3000 v. Chr. in Kultur genommen (Indien oder China ist noch ungeklärt). Der Reisanbau hat sich nach Japan, Indonesien bis nach Persien ausgedehnt. Ins Mittelmeergebiet gelangte er erst um 800 v. Chr. In den USA wurde er 1647 eingeführt und 1850 in Brasilien


Biologie:

Mehrjährige Kultur, die aber vorwiegend einjährig gehalten wird, 1,8 m hohe Halme, verfügen über ein Belüftungsgewebe und können daher überflutet werden, aus einer befruchteten Blüte entsteht die Frucht (Karyopse), das Reiskorn. Sie ist bespelzt. Selbstbefruchtung. Mit dem Gelbwerden der Blätter beginnt die Ernte, bis zur Reife vergehen 3-9 Monate, große Anzahl an Varietäten. 3 Gruppen. Indica mit unbegrannten, etwas kleineren, länglichen Körnern, japonica mit begrannten, größeren, rundlichen Körnern und indico-japonica als Zwischengruppe. Selbstbefruchtend. Unterscheidung in Wasser- und Trockenreis.


Ansprüche:

Wird in den Tropen und Subtropen angebaut, 45° nördlicher und 40° südlicher Breite. Hohe Ansprüche an Temperatur ( 25-40°C), braucht viel Wasser entweder durch Niederschläge oder Bewässerung wegen der hohen Transpiration, hohe Ansprüche an den Boden (humusreich, schwer und lehmig)


Düngung:

Phosphor- und Stickstoffdüngung, manchmal werden auch Blaualgen oder Wasserfarn in die bewässerten Felder eingebracht, sie können Luftstickstoff binden.


Schädlingsbekämpfung:

Unkrautbekämpfung z. B. der Hühnerhirse durch Herbizideinsatz; Krankheiten werden auch durch Bakterien und Viren verursacht. Insektizideinsatz.


Ertrag:

Weltweit durchschnittlicher Ertrag 4 t/ ha, weltweite Reisproduktion lag 2005 bei 615 Mio. Tonnen


Hauptanbauländer:

China, Indien, Indonesien, Bangladesch, Vietnam, Myanmar/Birma, Thailand, Phillippinnen, Brasilien, Japan (FAOSTAT, Angaben für 2007)


Produkt und Verwendung:

Fast die Hälfte der rund 6,6 Milliarden Menschen weltweit ernährt sich zum großen Teil von Reis, für mehr als 2,5 Milliarden Menschen in Asien ist Reis das wichtigste Grundnahrungsmittel, das Getreide spielt damit eine entscheidende Rolle in der globalen Ernährungssicherheit. Nutzung: als Nahrungsmittel gekocht oder verarbeitet zu Stärke, Reisöl, Reisflocken, Knusperflocken, Reisnudeln. Reis wird überwiegend für menschliche Ernährung und nur zu einem geringen Teil als Futtermittel genutzt (vgl. www.transgen.de)


Verwendung für die Erzeugung von Ethanol: in Japan wurde 2006/2007 begonnen, die Nutzung von braunem, japanischem Reis zu prüfen, der bislang vor allem für Sake, d.h. die Herstellung von Reiswein genutzt wird. Inzwischen ist der Reis-Treibstoff (Bemischung 3 Prozent) an 19 Tankstellen in Niigata, wo in Pilotprojekten mit der Produktion begonnen wurde, erhältlich. (Vgl. Reuters 17/1/2007, „Japan looks to rice-based biofuels”, URL http://www.reuters.com/article/GlobalBiofuel07/idUST31070020070117?pageNumber=1; RIA Novosti 18/07/2009, “Japan starts selling biofuel made from rice”, URL http://en.rian.ru/world/20090718/155556467.html; Einschätzung zur Nutzung dieses Reis-Typs für die Ethanolgewinnung vgl. Biofuels in Japan – Q & A with Hiroshi Shiraiwa, agritrade 3/5/2007, URL http://www.agritrade.org/blog/2007/05/03/biofuels-in-japan-qa-with-hiroshi-shiraiwa/


Gentechnik:

Forschung an Anbaueigenschaften (Herbizidtoleranz, Pilz- und Virusresistenz, Insektenresistenz); Produkteigenschaften (Golden Rice / Syngenta höherer Gehalt an Vit A), Forschung an Reis als Energiepflanze (Produktion von alpha-amylase), Forschung an Ertragssteigerung; Freilandversuche: EU 35, weltweit 240 in den USA; Zulassung: EU 1, USA 3, Kanada 2, Mexiko 1, Anbau im Iran auf 20.000 ha. Golden Rice könnte ab 2011 Philippinen erhältlich sein, Zu Gen-Reis-Sorten vgl. zudem Transgen, „Gen-Reis”, Wo kommt er her, wo ist er drin, ist er gefährlich?, URL http://www.transgen.de/lebensmittel/einkauf/708.doku.html


Greenpeace entdeckt 2006 illegalen Gen-Reis bei Aldi Nord: Der Langkornreis der Marke Bon-Ri enthielt nach Untersuchungen, die im Auftrag von Greenpeace durchgeführt wurden, illegalen, genmanipulierten Reis. (URL http://www.umweltschutz-news.de/index.php?menuecms=123&objektid=1340&besucht=9d16b0af90f505f77e75f685f8661f06) Anfang September 2006 hatte Greenpeace zudem asiatische Reisnudeln in mehreren EU-Ländern analysieren lassen. In Deutschland, Frankreich und Großbritannien waren insgesamt fünf Proben mit genmanipuliertem Reis verunreinigt. In Deutschland war beispielsweise die in Asia-Läden erhältliche Marke Swallow Sailing betroffen, die von der Firma Heuschen & Schrouff aus den Niederlanden importiert wird und Gen-Reis aus China enthält. (Greenpeace 5/9/2006, “Im Angebot: Gen-Reis aus China,” URL http://www.greenpeace.de/themen/gentechnik/nachrichten/artikel/im_angebot_gen_reis_aus_china/)


Jüngere Entwicklungen


Preissteigerung:

Nach Angaben der Weltbank stieg der Preis für Reis zwischen Januar 2005 und Juni 2008 um 170 Prozent (World Bank, 2008: A note on Rising Food Prices. Policy Research Working Paper 4682, Donald Mitchell, Juli 2008, vgl. zudem den Rohstoffpreis-Index bis 04/2008 des HWWI (Hamburgischen WeltWirtschafts Institut), veröffentlicht bei ZEIT online / 14/4/2008, URL http://www.zeit.de/online/2008/16/bg-lebensmittel?3; Anlässlich der erheblichen Verteuerung von Reis, häufig in Verbindung mit einem grundlegenden Anstieg der Lebenshaltungs- und Energiekosten war es in vielen Ländern zu Protesten, sog. „Hungerrevolten”oder „Reisunruhen”gekommen, darunter in Indonesien, Indien, Ägypten, Burkina Faso, Senegal, Kamerun Honduras, Peru und Haiti.


Für den drastischen Preisanstieg hatte die Weltbank den Trend zu Biokraftstoffen aus Getreide mitverantwortlich gemacht und gewarnt, Millionen Menschen würden in Armut und Hunger zurückgeworfen. Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul warnte, dass die Umwandlung von Agrarprodukten in Biotreibstoffe nicht zur Verknappung von Grundnahrungsmitteln – und in der Folge zu weiteren Preisanstieg führen dürfe. „Für jeden Prozentpunkt Preisanstieg steigt die Zahl der Menschen, die vom Hunger bedroht sind, um 16 Millionen”, sagte die Ministerin. (Zitiert nach Netzzeitung 9/4/2008, URL http://www.netzeitung.de/politik/ausland/966357.html; BMZ „Pakt für Ernährungssicherung notwendig”, URL http://www.bmz.de/de/presse/nl/nl2008/newsletter_2008_05/index.html.)


Immer mehr landwirtschaftliche Flächen werden für Biodiesel-Rohstoffe wie Palmöl und Mais genutzt und nicht mehr für die Nahrungsmittel-Produktion, kritisiert Duncan Macintosh vom internationalen Reis-Forschungsinstitut in Manila: "Auf der einen Seite fördern die Regierungen, auch die der Philippinen, den Anbau von Pflanzen, die für Biotreibstoffe verwendet werden können, um so das Einkommen der Bauern zu verbessern. Auf der anderen Seite, wenn zu viele Bauern auf diese gewinnbringenden Agrarprodukte umsteigen, kann das zu einer nationalen Versorgungskrise für Lebensmittel führen.”(Duncan Macintosh zit. n. tagesschau.de 4/4/2008, URL http://www.tagesschau.de/wirtschaft/reispreis2.html)


Ein weiterer wichtiger Faktor, der sich besonders bei energieintensiv produzierten Kulturen wie Reis (aber auch Mais, Weizen, Raps und Soja) bemerkbar macht, ist der Erdölpreis. Landwirtschaftliche Inputs wie Düngemittel, Pestizide, Treibstoffe und Elektrizität sind sämtlich abhängig vom Erdöl. Gerade die industrielle Landwirtschaft ist von der seit Mitte 2006 registrierten Verdreifachung der Düngemittelpreise sowie der Verdopplung der Treibstoffpreise besonders betroffen. (Vgl. hierzu sowie zu weiteren Faktoren Fritz, Thomas / FDCL, Dem Weltmarkt misstrauen. Die Nahrungskrise nach dem Crash, Dezember 2008, URL http://fdcl-berlin.de/fileadmin/fdcl/Publikationen/FDCL-Die-Nahrungskrise-nach-dem-Crash-Thomas-Fritz.pdf)


Niedrige Lagerbestände:

Weltweit hatten die Reserven an Reis, Nahrungsgetreide und Mais zuletzt vor 30 Jahren einen solch niedrigen Stand. (Vgl. IFAD, 2008: Growing demand on agriculture and rising prices of commodities. International Fund for Agricultural Development, Februar 2008.)


Exportbeschränkungen:

Um Versorgung und Preisstabilität im eigenen Land zu sichern, haben mehrere reisproduzierende Länder Zölle oder Exportverbote verhängt, wie zum Beispiel China, Indien, Ägypten, Vietnam und Kambodscha.


Offshore-Reisanbau und „Land Grab”:

Gestiegene Lebensmittelpreise und Ausfuhrstopps auf Seiten wichtiger Agrarexporteure haben einen neuen „Run”auf fruchtbares Ackerland angeizt. In das Outsourcing der Lebensmittelerzeugung steigen besonders Länder mit Versorgungsproblemen ein, etwa Staaten aus dem Mittleren Osten (Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait), aus Nordafrika (Libyen, Ägypten) oder aus Ost- und Südasien (Japan, Südkorea, China, Indien). Golfstaaten beispielsweise sichern das Offshore-Farming häufig durch bilaterale Verträge ab, im Gegenzug für die staatlich garantierte Ernteausfuhr gewähren sie Kredite oder liefern Erdöl und Erdgas.


Werden die Verträge bekannt, stoßen sie häufig auf den Widerstand lokaler Gemeinschaften. Pakistanische Bewegungen etwa protestieren gegen die Pläne Katars, in der Punjab-Provinz Lebensmittel anzubauen: 25.000 Dörfer wären von Zwangsumsiedlung betroffen. Ähnliche Befürchtungen haben Aktivisten im indonesischen West-Papua, wo ein saudi-arabisches Konsortium in dem Distrikt Merauke auf 1,6 Millionen Hektar Reis anbauen will (Vgl. Fritz, a. a. O., S. 11, zu „Land Grab”insbesondere, GRAIN: Seized! The 2008 land grab for food and financial security, URL http://www.grain.org/briefings/?id=212)



Weitere Informationen, Hinweise:


Chinesische Wissenschaftler der Universität Beijing entwickeln neue Methoden zur Nutzung von Restabfällen (Halm, Blattscheide), die beim Reisanbau entstehen und die für die Herstellung von Biogas verwendet werden können, Fachartikel veröffentlicht in: Energy Fuels, 2008, 22 (4), pp 2775–

2781, URL http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/ef8000967; für kurzen Überblick vgl. Energy & Enviro Finland 4/6/2008, URL http://www.energy-enviro.fi/index.php?PAGE=1822&NODE_ID=1822&LANG=1


Zu Land-Investoren in Kambodscha, Bericht der Deutschen Welle Asien 5.7.2009, Kambodschas Kleinbauern contra Konzerne, URL http://www.dw-world.de/dw/article/0,,4414386,00.html


Presse Mitteilung des gen-ethischen Netzwerks vom 17.04.2009, „Keine Import-Zulassung für gen-manipulierten Reis”, URL http://www.cbgnetwork.org/2875.html


Zur Kritik an der genetisch veränderten Reis-Sorte LL62 der Bayer CropScience AG: Greenpeace International, „Bayer’s Double Trouble”, April 2009,Download auf Seiten der Kampagne von Greenpeace International „say no to genetic engineering”, URL http://www.greenpeace.org/international/campaigns/genetic-engineering; vgl. hierzu zudem „Liberty Reis – gentechnisch verändertes Saatgut als Befreiung aus der Armut?”, Globale Verantwortung - Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe 6/5/09, URL http://www.globaleverantwortung.at/start.asp?ID=227865.


Über steigende Reis-/Agrarpreise und Konzerngewinne vgl. Handelsblatt 27/5/2008, „Internationale Unternehmen sahnen ab”, URL http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/internationale-unternehmen-sahnen-ab;1434730


„Agrarhandel: Auch Thai-Reis macht arm”von Pascal Nufer, Suphan Buri, WOZ 10/1/2008, URL http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Afrika/reis.html


„BASF intensiviert Forschung bei Pflanzenbiotechnologie”, PROCESS 4/10/2007, URL http://www.process.vogel.de/management_und_it/chemiepark_management/articles/94874/





Gefördert von der Deutschen Behindertenhilfe - Aktion Mensch e.V., der Europäischen Union und der InWEnt GmbH aus Mitteln des BMZ.


 

 

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This publication  was elaborated within the framework of the cooperation-project "Handel-Entwicklung-Menschenrechte" of the Heinrich Böll Foundation (hbs), the Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL), and the Transnational Institute (TNI). More information at:

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