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Implikationen der Handelsvereinbarungen der EU mit Zentralamerika und den Andenländern

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EU-SICA/ SIECA:

Zentralamerikanisches Integrationssystem

(Sistema de Integración Centroamericano)/

Zentralamerikanisches Wirtschaftliches Integrationssystem

(Sistema de Integración Económica Centroamericano):

Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Panama

 

 

 

EU-CAN/ SAI:

Andine Nationengemeinschaft

(Comunidad Andina de Naciones)/

Andines Integrationssystem

(Sistema Andina de Integración):

Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien

 

 

 

 

Ronald Köpke, Mitarbeiter im FDCL

ronald.koepke@nexgo.de

 

Dezember 2006

 

 

ISBN-13: 978-3-923020-35-5

ISBN-10: 3-923020-35-X

 

 

FDCL

Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika

www.fdcl.org

 

 

 

 

Prolog

 

 

 

 

„Im Sommer 1994 war Mexiko ein Land, das alles richtig gemacht hatte. Mexiko hatte seinen Staatshaushalt ausgeglichen, über tausend Staatsunternehmen privatisiert und staatliche Reglementierungen abgebaut. Es war der NAFTA beigetreten und hatte sich verpflichtet, Zölle und Quoten drastisch zu senken. Das Kapital privater Anleger floss nach Mexiko. Präsident Carlos Salinas wurde als Held gefeiert. Sein Bild erschien auf den Titeln sämtlicher Wirtschaftsmagazine. Ein halbes Jahr später stand Mexiko vor einem Scherbenhaufen. Die Bilanz im April 1995 lautete: 500.000 Mexikaner hatten ihre Arbeitsplätze verloren. Weitere 250.000 Arbeitslose würden sich in Kürze zu ihnen gesellen. Ein Rückgang der durchschnittlichen Kaufkraft auf die 30-Prozent-Marke war abzusehen. Wieder erschien Präsident Salinas auf den Titeln sämtlicher Magazine – diesmal jedoch aus dem Exil. Man sagte ihm Inkompetenz und/ oder Korruption nach. Er habe möglicherweise gemeinsame Sache mit den Drogenhändlern gemacht und damit sei eine Chance vertan, Präsident der Welthandelsorganisation WTO zu werden. Warum haben seine politischen Maßnahmen nicht funktioniert? Er hat sich doch genau an die Empfehlungen gehalten, die Marktwirtschaftlern ans Herz gelegt war.”

 

 

 

Lester C. Thurow. Die Zukunft des Kapitalismus. Düsseldorf/ München 1996, 13
 

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

Kapitel

Thema

Seite

 

 

 

 

Abkürzungsverzeichnis und Glossar

4

 

 

 

0.

Einleitung

9

 

 

 

1.

Allgemeiner Stand der Vereinbarungen der EU mit den Regionen SICA und CAN

10

 

 

 

2.

Zum Primat von Kohärenz und sozialer Kohäsion

12

 

 

 

2.1

Verschiebungen des Kohärenzparadigmas im Kontext der globalen Konkurrenz

15

 

 

 

2.2

Integrationsprozesse EU-Lateinamerika

18

 

 

 

2.2.1

Handelsvereinbarungen der EU mit Lateinamerika

20

 

 

 

2.2.2

Der Weg zu Abkommen der ‚Vierten Generation’

20

 

 

 

3.

Der Verhandlungsprozess EU-SICA und EU-CAN auf Basis der ‚Abkommen der vierten Generation’

22

 

 

 

3.1

EU-SICA/ SIECA: Parität mit CAFTA?

22

 

 

 

3.2

EU-CAN

27

 

 

 

4.

Schlussfolgerungen

35

 

 

 

5.

Verwendete Dokumente

36

Abkürzungsverzeichnis

 

ALBA

Alternativa Bolivariana para la América – Vorschlag Venezuelas (2005) für eine bolivarianische Handelszone in Lateinamerika

 

ALCA/ FTAA

Area de Libre Comercio de Las Américas/ Free Trade Agreement of the Americasvon den USA angestrebtes Projekt einer Freihandelszone in Las Américas

 

ALALC und ALADI

ALALC: Asociación Latino Americana de Libre Comercio – 1960 gegründete lateinamerikanische Freihandelsvereinigung, später umbenannt in ALADI: Asociación Latinoamericana de Integración

 

ALOP

Asociación Latinoamericana de Organizaciones de Promoción – Lateinamerikanisches NRO Bündnis, das sich explizit mit Lobbyarbeit befasst

 

APS/ APS+ (GSP/ SGP)

Allgemeines Präferenzsystem/ General System of Preferences/ Sistema Generalizado de Preferencias: 1971 in Anlehnung an Beschlüsse der UNCTAD von 1968 gegründetes Allgemeines Zollpräferenzsystem der EU. Das APS in seiner gegenwärtigen Form wurde 2005 erneuert und ist ab 2006 gültig (dazu gehört u.a. die Komponente APS +). Das APS ist politisch jeweils auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt; die aktuellen Durchführungsverordnungen werden jedoch regelmäßig alle drei Jahre verändert bzw. angepasst.

 

APPRIs

Acuerdos Recíprocos sobre Promoción y Protección de las Inversiones – Gegenseitige Abkommen zur Förderung und zum Schutz von Investitionen

 

APT-DEA/ APTA

Andean Promotion Trade and Drug Erradication Act/ Ley de Promoción Andina y Erradicación de la Droga – Präferenzsystem der USA für den Zugang andiner Handelsprodukte mit einer Komponente der Drogenbekämpfungsmaßnahmen, erweiterte den seit dem 4.12.2001 (formal bis zum 31.12.2006) bestehenden Andean Promotion Trade Act (APTA). Während Peru und Kolumbien den Abschluss bilateraler Vereinbarungen mit den USA erwarten, bliebe die Verlängerung der ‚Zollpräferenzen’ über 2007 hinaus insbesondere für Exporte aus Ecuador und Bolivien evident, da diese Länder keine bilateralen Handelsabkommen mit den USA unterzeichnen werden.

 

ASC

Alianza Social Continental (ASC): Gegründet 1998 auf dem Las Americas Gipfel in Santiago de Chile anlässlich der Mobilisierung gegen die große amerikanische Freihandelszone ALCA. Setzt sich aus den größten lateinamerikanischen sozialen Organisationen zusammen und gilt als homologer Zusammenschluss zu den kontinentalen Sozialforen (Lateinamerikanisches Sozialforum)

 

BID

Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID, Banco de Desarrollo Interamericano)

 

CAFTA

Central American Free Trade Agreement/ Tratado de libre comercio entre Centroamérica y República Dominicana con los Estados Unidos:  Freihandelsabkommen zwischen den USA, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua. Durch den Beitritt der Dominikanischen Republik 2004 wird das Freihandelsabkommen auch DR-CAFTA genannt (Dominican Republic - Central American Free Trade Agreement).

 

CAN und SAI

Comunidad Andina de Naciones/ Gemeinschaft der Anden-Nationen. Die Andengemeinschaft (CAN) und das System der Anden-Integration (SAI). 1996 wurde das Integrationssystem als effektiverer Mechanismus im Zuge der Reform des Andenpaktes gegründet (1969 gegründet).

 

CARIFTA und CARICOM

Caribbean Free Trade Association – 1968 gegründete Freihandelsvereinigung – umbenannt 1970 in CARICOM: Caribbean Common Market

 

CCLA

Consejo Consultivo Laboral Andino – Organ der CAN, in dem die Gewerkschaftsverbände der Andenländer zusammengeschlossen sind.

 

CIFCA

Copenhagen Initiative for Central America and Mexico – mexikanisch-europäisches NRO Netzwerk mit Sitz in Brüssel

 

CSN und IIRSA

Im Dezember 2004 vereinbarten 12 lateinamerikanische Regierungen die Gründung einer ‚Südamerikanischen Nationengemeinschaft’ (Comunidad Sudamericana de Naciones, CSN). Ziel der CSN ist eine wirtschaftliche und politische Integration, die jedoch durch die zunehmende Polarisierung zwischen den lateinamerikanischen Ländern u.E. fraglich ist. Vorausgegangen war im Jahr 2000 die Gründung der Regionalen Südamerikanischen Integrations- und Infrastrukturinitiative (Iniciativa para la Integración de la Infraestructura Regional Suramericana), die im Wesentlichen aus Mitteln der Geber EU und USA über die ‚Interamerikanische Entwicklungsbank’ gespeist wird und dementsprechend sich auf für den Freihandel prioritärte Infrastrukturprogramme (z.B. grenzüberschreitenden Waren und Güterverkehr) konzentriert. Die Maßnahmen von IIRSA zielen auf Handelsintegration auf Basis der Exportwirtschaft ab, ohne politische Integration. CSN ist demgegenüber ein Forum, mit dem ein politischer Integrationsprozess gefördert werden soll.

 

MCCA

Gemeinsamer Zentralamerikanischer Markt/ Mercado Común Centro Americano. Wurde am 13. Dezember 1960 mit dem Vertrag von Managua (Tratado General de Integración Económica) gegründet. Gründungsmitglieder waren Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua. Costa Rica kam 1963 dazu. Nach dem so genannten ‚Fußballkrieg’ zwischen El Salvador und Honduras von 1969 verlor der Vertrag an praktischer Bedeutung. Erneuerungsinitiativen von 1993 und 1997 führten jedoch nicht zu einer institutionellen Konsolidierung und zur Steigerung des intraregionalen Handels.

 

Meistbegünstigungsklausel

Nach dem Meistbegünstigungsprinzip der WTO müssen Handelsvorteile, die einem Vertragspartner gewährt werden, im Zuge der Gleichberechtigung allen Vertragspartnern gewährt werden. Ausnahmen von Meistbegünstigung gibt es für regionale Integrationsabkommen, oder im Umgang mit so genannten Entwicklungsländern, so dass beispielsweise die Europäische Union Handelsvorteile ihres Binnenmarkts nicht auch Drittstaaten gewähren muss. Dieses Prinzip ist zusammen mit der so genannten Inländerbehandlung die wichtigste Grundlage aller Vertragswerke der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, kurz WTO), worunter das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, kurz GATT), das Dienstleistungsabkommen (General Agreement on Trade in Services, kurz GATS) sowie das Abkommen zum Schutz intellektuellen Eigentums (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, kurz TRIPS) fallen. Freihandelszonen verstoßen im Prinzip gegen die Meistbegünstigungsklausel, da Zollpräferenzen nur den Mitgliedern der Freihandelszone eingeräumt werden. Drittstaaten werden durch die daraus folgende Umlenkung von Handelsströmen benachteiligt (diskriminiert). Artikel XXIV des GATT-Vertrags räumt allerdings aufgrund der handelsschaffenden Wirkung für die Mitglieder Ausnahmen für Freihandelszonen ein, sofern diese intern alle tarifären und nicht-tarifären Handelsschranken für annähernd den gesamten Handel („substantially all trade”) eliminieren und der Außenzoll gegenüber Drittländern nicht erhöht wird (entnommen aus: www.wikipedia.de).

 

MERCOSUR

Mercado Común del Sur: Der MERCOSUR konstituierte sich durch Unterzeichnung des Vertrages von Asunción vom 26. März 1991. Es handelt sich hierbei um einen Binnenmarkt mit mehr als 250 Millionen Menschen (Stand 2006), der derzeit 12,7 Millionen Quadratkilometer oder ca. 58 % der Fläche Lateinamerikas, ein Bruttoinlandprodukt von etwa 1 Billion US-Dollar, Exporte In Höhe von etwa 55 Mrd. US-Dollar und Importe in Höhe von etwa 45 Mrd. Dollar umfasst.

 

PETROSUR

Auf Initiative Venezuelas am 10. Mai 2005 zwischen Argentinien, Brasilien und Venezuela gegründetes südamerikanisches Konsortium zur Öl- und Gasindustrie, das auf Kooperation der nationalen Unternehmen mit Staatsbeteiligung wie PDVSA (Venezuela) und PETROBRAS (Brasilien) usw. abzielt und eine größere Souveränität der Vermarktung zum Ziel hat.

 

PPP

Plan Puebla Panamá – Infrastrukturprogramm für die zentralamerikanischen Staten und einige mexikanische Bundesstaaten aus dem Jahr 2001 ist Teil des Integrationsprozesses zwischen Mexiko und Zentralamerika (begonnen als so genannter Prozess von Tuxtla von 1991): Der PPP zielt darauf ab, die südlichen Bundesstaaten Mexikos und die zentralamerikanischen Staaten mittels staatlich geförderter Investitionen, gigantischer Verkehrsprojekte und der Einrichtung von Freihandelszonen ökonomisch zu beleben. Durch die finanzielle Unterstützung der USA wird der PPP strategisch zu einer flankierenden Maßnahme zu CAFTA und als solche von zivilgesellschaftlichen Akteuren kritisiert.

 

Reziprozitätsklausel

Nach dem Reziprozitätsprinzip der WTO sind Handelspräferenzen gegenseitig zu gewähren. Handelt es sich bei Land B um ein sehr unterentwickeltes Land, ist eine Ausnahme von der Reziprozitätsklausel im Rahmen der enabling clause möglich.

 

RMALC

‚Red de Acción frente al Libre Comercio en Mexico’ (RMALC). Gegründet aus sozialen Organsitaionen und Umweltorganisationen in Mexiko anlässlich der Unterzeichnung von NAFTA.

 

SIA

Sustainability Impact Evaluation oder auch Assessment: Technisches Risikofolgeabschätzungsverfahren der EU

 

SICA/ SIECA

Sistema de Integración Centroamericano  Die wirtschaftliche Integration in Zentralamerika wurde 1960 durch den ’Generalvertrag über die zentralamerikanische Integration’ eröffnet, woran El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua, sowie seit 1963 Costa Rica teilnehmen. Die administrative und konzeptionelle Verantwortung für diesen Prozess wurde an das ‚Zentralamerikanische Sekretariat für Wirtschaftliche Integration’ (Secretariado General del Sistema de Integración Económica Centroamericano, SIECA) delegiert.

Das zentralamerikanische  Integrationssystem SICA/SIECA wurde von den ODECA-Staaten mit dem Protokoll von Tegucigalpa 1991 gegründet und trat 1993 mit der Unterzeichnung des Protokolls von Guatemala (Tratado General de Integración Económica Centroamericana) in Kraft. Zu den Mitgliedsstaaten gehören Guatemala, Honduras, Nicaragua, El Salvador, Panama und Costa Rica.

 

Singapurthemen der WTO

1995 tagte die Ministerkonferenz der WTO in Singapur und legte Themen fest, die vorrangig behandelt werden sollten:

Handel und Investitionen: Schutz von Investitionen, Definition geschützter Investitionen, Transparenz von Investitionen, Gleichbehandlung von in- und ausländischen Unternehmen, Ausnahmeregelungen, Streitschlichtungen, u.a.

Handel und Wettbewerb: Grundprinzipien künftiger Abkommen zur Regelungen der Bekämpfung so genannter Hardcorekartelle, Zusammenarbeit von Wettbewerbsbehörden, Transparenz, Gleichbehandlung und Fairness im Verfahren.

Öffentliches Beschaffungswesen: Verfahren und Regeln für die Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber.

Handelserleichterungen: Abbau bürokratischer Handelshemmnisse, z. B. bei der Zollabfertigung.

 

TCP

Der Tratado de Comercio entre los Pueblos –Vertrag über gegenseitige Hilfe und Abschaffung der Zollsätze zwischen Bolivien, Kuba und Venezuela zu einer Zone des ‚fairen Handels’. Der TCP wurde von Bolivien vorgeschlagen und mit einem Vertrag vom April 2006 wird explizit betont, dass es sich um eine Konkretisierung/ Anwendung von ALBA handelt.

 

0. Einleitung

 

Gegenstand des vorliegenden Papiers sind die Hintergründe und Einschätzungen zum aktuellen Stand der Handelsvereinbarungen der Europäischen Union mit Zentralamerika (EU-SICA, Sistema de Integración Centroamericano und SIECA, Sistema de Integración Económica Centroamericano) und der Andengemeinschaft (EU-CAN, Comunidad Andina de Naciones und SAI, Sistema Andino de Integración).

Dieses Dokument basiert auf einer Desktopauswertung und ist als Handreichung zur Analyse der Implikationen der EU-Handelspolitik hinsichtlich der Aspekte der Kohärenz und sozialen Kohäsion zu verstehen.

 

Aktuelle Brisanz gewinnen die Beziehungen der EU mit den Regionen SICA und CAN durch einige bemerkenswerte aktuelle Vorgänge:

 

1. das vorläufige Scheitern eines multilateralen Abkommens der USA mit den lateinamerikanischen Ländern auf Grundlage einer großen Freihandelszone ALCA, das sich auf dem Gipfel der amerikanischen Staats- und Regierungschefs im argentinischen Mar del Plata Ende 2005 manifestierte,

 

2. der im April 2006 proklamierte Austritt Venezuelas aus der Andengemeinschaft und der Beitritt Venezuelas als Vollmitglied in den Mercosur, sowie die Initiative der brasilianischen Regierung zur Aufnahme Boliviens als Vollmitglied in den Mercosur vom November 2006,

 

3. alternative politische Initiativen mit dem Ziel der regionalen Integration der Regierung Venezuelas (ALBA, Alternativa Bolivariana), sowie neue Ansätze zur Kooperation zwischen Unternehmen mit Staatsbeteiligung (Petrosur) und der Kooperationsvertrag zwischen Venezuela, Kuba und Bolivien (TCP, Tratado de Comercio entre los Pueblos),

 

4. das zunehmende Auftreten freihandelsskeptischer oder -kritischer Positionen lateinamerikanischer Regierungen und zivilgesellschaftlicher Akteure auf der einen Seite- und einer fundamentalen Polarisierung innerhalb der lateinamerikanischen Gesellschaften andererseits. Dies manifestiert sich im allgemeinen Aufschwung und durch die Wahlerfolge neoliberaler politischer Kräfte 2006 in Costa Rica, Kolumbien, Peru und Mexiko, sowie durch die zunehmende Polarisierung innerhalb der lateinamerikanischen Gesellschaften (z.B. durch Bildung von Plattformen von US-Sicherheitskräften, Vertretern nationaler Oligarchien, multinationaler Unternehmen und paramilitärischer Kräfte in Bolivien und Venezuela, unterstützt von einzelnen politischen Akteuren der EU nach dem Vorbild der Antiregierungsallianz von Chile 1973) auf der anderen Seite.

 

Gegenstand des vorliegenden Papiers ist der aktuelle Prozess der Verhandlungen zwischen der Europäischen Union über Assoziationsabkommen mit Zentralamerika und der Andengemeinschaft im Kontext der Globalabkommen EU-Chile und EU-Mexiko und im Kontext der Verhandlungen zwischen der EU und dem MERCOSUR. Während mit Kohärenz die Ausgewogenheit unterschiedlicher Aspekte von Assoziation und Kooperation der EU gemeint ist, steht demgegenüber der Begriff der sozialen Kohäsion unmittelbar für die Wirkungen in Partnerländern, mit denen Assoziationsvereinbarungen getroffen werden.

Ausgehend von den bisherigen Arbeiten des FDCL zur Region MERCOSUR werden daraus mögliche Schlussfolgerungen für eine Bearbeitung des Themas zu den Regionen CAN und SICA abgeleitet. Zu diesem Zweck werden Strategien, normative Ansprüche, Szenarien, Interessenlagen und mögliche Auswirkungen analysiert.
 

1. Allgemeiner Stand der Vereinbarungen der EU mit den Regionen SICA und CAN

 

2007 erwartet die EU-Kommission auf Grundlage der im November 2006 festgelegten Kriterien den Eintritt in konkrete Verhandlungen mit Zentralamerika und der Andengemeinschaft über Assoziationsabkommen, die jeweils eine Freihandelskomponente enthalten sollen.

Bereits seit 1971 gewährte die EU im Rahmen des Allgemeinen Zollpräferenzsystems (APS) auf Grundlage der Beschlüsse der UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) von 1968 so genannte Zollvorteile für bestimmte Exportprodukte und Produktgruppen. Das bis 2005 gültige APS umfasste fünf verschiedene Begünstigungsmechanismen. Dazu gehörten spezifische Präferenzen für Länder, die sich aktiv der Drogenbekämpfung widmen. Das APS begünstigte 178 Länder mit mehr als 7.000 Produkten in der Laufzeit zwischen 1996 und 2005 zu einem Durchschnittszollsatz von 45-55%.

Im Juli 2004 präsentierte die EU-Kommission dem EU-Parlament und dem EU-Ministerrat eine Vorlage für ein neues APS, das für die Laufzeit von 2006 bis 2015 in Kraft treten sollte (Commission of the European Communities, COM(2004) 461 final). Darin vorgesehen war eine Vereinfachung der Mechanismen (Reduktion auf drei statt fünf), reduzierte Durchschnittszollsätze für Low Development Countries und ein ‚APS Plus’ (GSP +) für bestimmte Produkte, das die Einfuhr von Waren zu einem Zollsatz „Null”ermöglicht, wenn Drogenbekämpfungsmaßnahmen getroffen und Umwelt- und Sozialstandards nach internationalen Kriterien formal eingehalten werden. Im Bereich der Sozialstandards erfordert eine Begünstigung nach dem ‚APS Plus’ die Verabschiedung und Ratifizierung der international anerkannten Abkommen, wie die 27 Konventionen der ILO (darunter die so genannten Kernarbeitsnormen), wozu explizit die Konventionen 87 und 98 über Organisationsfreiheit und kollektivvertragliche Vereinbarungen gehören. Nach Artikel 9 der Vorlage, sollten Länder, die noch nicht diese Kriterien erfüllen, bis Ende 2006 alle Konventionen unterzeichnen, dazu gehörte u.a. El Salvador.

Im Februar 2005 wurde der Vorschlag der EU-Kommission dem Parlament vorgelegt. Der Berichterstatter Antolín Sánchez Presedo (PSOE Spanien) brachte daraufhin einen speziellen Regelungsvorschlag für Länder ein, die bis zu zwei Konventionen nicht unterzeichnet haben. Dies beträfe, so der Kommissar Peter Mandelson unmittelbar El Salvador (PPT Bericht zum Fall Calvo. Wien. Mai 2006 unter www.peoplesdialogue.org). Die EU Kommission erwog dementsprechend, El Salvador bis auf weiteres Zollpräferenzen des ASP einzuräumen (ab 2006 ASP Plus), ohne die Unterzeichnung der beiden ILO-Konventionen zu fordern. Dies wurde faktisch jedoch bereits durch den Ministerrat mit der Regelung EC No 980/ 2005 vom 27. Juni 2005 ermöglicht. Auf Basis dieser Regelung entschied die EU-Kommission am 21.12.2005, insgesamt 15 Staaten mit Arbeitsrechtsproblemen die Gewährung von Zollpräferenzen als besonderen Anreiz zur nachhaltigen Entwicklung und guten Regierungsführung vorläufig einzuräumen (Commission Decission 2005/924/EC). Dennoch beschloss das Parlament El Salvadors auf politischen Druck des Europaparlamentes am 25. August 2006, die entsprechenden ILO-Konventionen anzuerkennen und in nationales Recht zu überführen (siehe auch Kommentar von FESPAD zur Ratifizierung der ILO-Konventionen 87, 98, 135 u. 151, FESPAD 2006).

Zu Ländern, die unter das ‚APS Plus’ fallen, gehören die SICA Gruppe Guatemala, Honduras, El Salvador, Nicaragua, Costa Rica und Panama, sowie die CAN-Länder Kolumbien, Venezuela, Ecuador, Peru und Bolivien. Die gegenwärtigen APS-Regeln galten vorläufig bis Ende 2008, gleichzeitig findet ein Prozess der Modifizierung für den Zeitraum 2007-2013 statt.

 

Obgleich das APS ein auf UNCTAD-Prinzipen basierendes Instrument ist, handelt es sich für die betreffenden in die EU-exportierenden Länder um einen bilateralen Zollmechanismus, der mitunter als protektionistisches Instrument kritisiert wird. Gleichzeitig ist das APS strikt nach WTO-Regeln gestaltet. Begründet wird der Protektionismusvorwurf seit Bestehen des APS mit dem Ausschluss wichtiger Halbfertigwaren und verarbeiteter Rohstoffe, aber auch aufgrund der eingeschränkten Zugänge für Agrarprodukte.

Demgegenüber sind multilaterale Abkommen bzw. die so genannten Globalabkommen zwischen Ländergruppen und der EU eher Instrumente einer unmittelbaren Integration, auch wenn diese asymmetrische Wirtschaftsbeziehungen festigen. Einzelne darin enthaltene entwicklungspolitische Prioritäten sollen diese jedoch flankieren (‚Nachhaltige Entwicklung’ und ‚Good Governance’), sind jedoch an unmittelbare Prioritäten der EU gebunden und unterliegen dabei einer strikten Hierarchie der Politikebenen (z.B. außenpolitische Kooperation EU-USA).

Die gegenwärtig relevanten Abkommen der EU mit Lateinamerika sind Ergebnis einer forcierten regionalen Integrationsstrategie der EU, deren markanteste Meilensteine sind:


·         das Juli 2000 geschlossene Freihandelsabkommen zwischen Mexiko und der EU, sowie das im Oktober 2000 erneuerte "Globalabkommen über wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit";

·         Das EU-Chile-Assoziationsabkommen, das am 1.3.2005 in Kraft trat;

·         Die Verhandlungen mit dem Mercosur (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay – und seit 2006 Venezuela) über einen Assoziationsvertrag seit 1999.

·         Kooperationsabkommen, die mit den Staaten der Andengemeinschaft <CAN> (Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru) und Zentralamerikas <SICA> (Nicaragua, Honduras, Costa Rica, Guatemala, Panama, El Salvador, Belize) am 15.12.2003 unterzeichnet wurden.

 

Bei Betrachtung der entsprechenden Vereinbarungen muss der Prozesscharakter der bi-regionalen Integration hervorgehoben werden: Dementsprechend wurde vereinbart, den gegenwärtigen Verhandlungsstand auf Grundlage der auf den Gipfeltreffen der Staatschefs in Rio, Madrid, Guadalajara und Wien erarbeiteten Agenda fortzuentwickeln. Zu diesem Zweck wurde 2004 auf dem Gipfel eine bi-regionale Arbeitsgruppe eingerichtet.

 

SICA (Sistema de Integración Centroamericano) und SIECA (Sistema Económico de Integración Centroamericano)

Das zentralamerikanische Integrationssystem geht zurück auf die Organisation der zentralamerikanischen Staaten (Organización de Estados Centroamericanos, ODECA) und wurde mit der Unterzeichnung der gemeinsamen Charta in San Salvador 1951 in Kraft gesetzt.

Die wirtschaftliche Integration in Zentralamerika wurde 1960 durch den ’Generalvertrag über die zentralamerikanische Integration’ eröffnet, woran El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua, sowie seit 1963 Costa Rica teilnehmen. Die administrative und konzeptionelle Verantwortung für diesen Prozess wurde an das ‚Zentralamerikanische Sekretariat für Wirtschaftliche Integration’ (Secretariado General del Sistema de Integración Económica Centroamericano, SIECA) delegiert. Zu dieser Zeit bestand der Auftrag an das Sekretariat darin, industrielle Entwicklung und die Ausweitung des zentralamerikanischen Marktes als Teil einer Strategie der Importsubstitution zu fördern.

Das zentralamerikanische Integrationssystem SICA / SIECA wurde von den ODECA-Staaten mit dem Protokoll von Tegucigalpa 1991 gegründet und trat 1993 mit der Unterzeichnung des Protokolls von Guatemala (Tratado General de Integración Económica Centroamericana) in Kraft. Die SICA / SIECA-Gruppe ist damit der multilaterale Verhandlungspartner der EU.

Das seit 1993 bestehende Rahmenabkommen über Kooperation wurde mit der Aushandlung eines Assoziationsabkommens im Mai 2002 auf dem Gipfel EU-Lateinamerika in Madrid revidiert. Die entsprechende ‚Übereinkunft über ein Abkommen über Politischen Dialog und Kooperation’ unterzeichneten die Partner am 15. Dezember 2003 in Rom. Beide Seiten streben damit explizit eine Assoziation mit einem Freihandelsabkommen an. Entsprechend findet sich diese Priorität in der Vorlage für ein neues regionales Strategiepapier der EU zu Zentralamerika für 2007-2013.

Die gegenwärtigen Vereinbarungen gehen zurück auf den so genannten San-José-Dialog EU-Zentralamerika von 1984, der eine Voraussetzung für die EU-Beteiligung an der Beendigung der Bürgerkriege in Zentralamerika war.

Auf dem Gipfel der Staatschefs in Wien im Mai 2006 wurde vereinbart, Verhandlungen über ein Assoziationsabkommen mit einem Freihandelsvertrag bis 2007 abzuschließen. Die EU erwatet dabei von den zentralamerikanischen Staaten, zunächst die Voraussetzungen über eine verstärkte regionale Integration zu schaffen. Dazu gehört eine Zollunion, der Schutz von Dienstleistungen und Investitionen und einen gemeinsamen gesetzlichen Rahmen für die Behandlung wirtschaftlicher Aktivitäten.

 

CAN (Comunidad Andina de Naciones) und SAI (Sistema de Integración Andina)

Die Andengemeinschaft CAN wurde 1969 als so genannter ‚Andenpakt’ gegründet und 1996 mit der Reform von Trujillo durch einen konkreten institutionellen Integrationsmechanismus (SAI: Sistema de Integración Andina) ergänzt. Am 1. Oktober 1992 wurde eine Freihandelszone zwischen Bolivien, Peru, Venezuela und Ecuador vereinbart, zu der Peru 2005 beitrat. Daneben besteht eine Zollunion zwischen Ecuador, Kolumbien und Venezuela. Die Agenda der CAN wurde durch die Gründung des SAI und seiner Institutionen auf politische und soziale Bereiche ausgeweitet. Mit der Austrittserklärung durch Venezuela von 2006 stehen Erweiterung und Vertiefung des Integrationsprozesses in der CAN allerdings in Frage.

Der gegenwärtige Verhandlungsprozess zwischen der EU und den Andenländern geht ebenfalls auf ein Kooperationsabkommen von 1993 zurück, das 1998 in Kraft trat und das 1983 unterzeichnete Rahmenabkommen EWG-Andenpakt über ‚wirtschafts- und handelspolitische Zusammenarbeit’ ersetzte. Hierbei waren demokratische Grundsätze und die Einhaltung der Menschenrechte wesentliche Elemente der Kooperation. Das neue Abkommen vertieft die Kooperation über die Themen „Entwicklungszusammenarbeit”, „Stärkung der regionalen Integration der Andenländer”, „Ausweitung des Handels”und „Verbesserung der Investitionsbedingungen”.

Auf dem Gipfeltreffen von Madrid wurde 2002 vereinbart, mit der Gemeinschaft der Andenstaaten Verhandlungen für ein Abkommen über politischen Dialog und vertiefte Zusammenarbeit aufzunehmen. Das Abkommen wurde am 15.12.2003 in Rom unterzeichnet und gegenwärtig noch ratifiziert und ergänzt die bereits am 30. Juni 1996 in Rom unterzeichnete ‚Gemeinsame Erklärung über den Politischen Dialog’.

Auf einem Meeting zwischen der EU und Regierungsvertreten der Andengemeinschaft am 12. und 13. Juni 2006 in Brüssel wurde auf Basis von Empfehlungen der gemeinsamen Arbeitsgruppe EU-Lateinamerika (beschlossen auf dem Gipfel in Guadalajara 2004) vereinbart, das EU-CAN ‚Abkommen über Politischen Dialog und Kooperation’ von 2003 zügig zu verabschieden und in einem künftigen Assoziationsabkommen politische und handelspolitische Aspekte zu berücksichtigen.

Dementsprechend erarbeiten das Generaldirektorat der EU für Außenbeziehungen (EC Directorate General for External Relations) und das Handelsdirektorat (Directorate General for Trade) bis Oktober 2006 Leitlinien für Verhandlungen mit den Ländern der CAN. Ziel ist es, Anfang 2007 mit konkreten Verhandlungen zu beginnen und diese bis Mai 2008 abzuschließen.

Bolivien legte gleichzeitig am 13. Juni 2006 auf dem Präsidentengipfel der CAN-Staaten in Quito ein Grundsatzpapier von 17 Punkten für eine gemeinsame Verhandlungsposition vor, die zwar nicht explizit von den anderen CAN-Mitgliedern unterstützt wird, jedoch die Debatte um die Ausrichtung der Leitlinien beeinflussen könnte (Propuesta de Bolivia: Bases para un Acuerdo de Asociación CAN-UE en beneficio de los pueblos. Quito, 13. Juni 2006). Dieser Vorschlag enthält 17 Punkte, die u.a. den Schutz von Dienstleistungen der Basisversorgung (Wasser, Elektrizität, Gesundheit, Wohnung, Bildung/ Erziehung, Renten und Kultur), des Grundbesitzes, der Ernährung und der natürliche Ressourcen umfassen. Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Sicherung des Marktzugangs und den Schutz lokaler Märkte, kleiner Unternehmen und Produzenten (s.u. 3.2).

 

 

2. Zum Primat von Kohärenz und sozialer Kohäsion

 

Die Prinzipien der Kohärenz und sozialen Kohäsion leiten sich unmittelbar aus der EU-Außenhandelspolitik ab (siehe dazu FDCL Info-Bulletin N°2, Sept. 2004.).

Im Jahresbericht 2003 der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über Entwicklungspolitik und Außenhilfe wird die Selbstverpflichtung in Bezug auf Kohärenz, Koordinierung und Komplementarität der Europäischen Außen-, Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik hervorgehoben (KOM(2003) 527. Siehe hierzu auch COM 2005-0134 endg.). Für unsere Betrachtungen ist vor allem die Kohärenz von Bedeutung, d.h., die Balance der projektierten Politikfelder untereinander, und die soziale Kohäsion der EU-Außen-, Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik in ihren konkreten oder zu erwartenden Auswirkungen.

 

Nach dem Strategiepapier der EU Kommission zu Lateinamerika vom April 2002 konkretisiert sich der Kohärenzanspruch über die in der strategischen Partnerschaft mit Lateinamerika angelegten Prioritäten der Europäischen Union:

„…in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, Handelspolitik (…), Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung, Konfliktverhütung sowie vor allem auch in den folgenden weiteren Schwerpunktbereichen:

·         Förderung der guten und demokratischen Staatsführung, Achtung der Menschenrechte, Bekämpfung von Diskriminierungen und Anerkennung sozialer Rechte;

·         Verringerung der Armut, Bekämpfung sozialer Ungleichheiten und der Ausgrenzung; -Zusammenarbeit im Bereich der Hochschulbildung;

·         Leitlinien für Soforthilfe und Wiederaufbau in Katastrophensituationen, die auf eine bessere Einbeziehung in die Entwicklungspolitik sowie auf Maßnahmen zur Katastrophenverhütung und -vorsorge gerichtet sind,…;

·         Energiepolitik und Umsetzung des Kyoto-Protokolls” (European Commission 2002, 22).

 

Im Vorfeld des Gipfels 2006 von Wien wurden die strategischen Leitlinien der EU zu Lateinamerika aktualisiert (Kommission der Europäischen Gemeinschaft 2006). Darin schlägt die Europäische Kommission dem Rat und dem Europäischen Parlament eine erneuerte Strategie für den Ausbau der Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika vor. In dieser soll der politische Dialog zwischen beiden Regionen intensiviert, die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen belebt, die regionale Integration und die Bekämpfung von Ungleichheiten gefördert und die Kooperations- und Entwicklungspolitik besser auf die Gegebenheiten in Lateinamerika abgestimmt werden. Die für Außenbeziehungen und Europäische Nachbarschaftspolitik zuständige Kommissarin, Benita Ferrero-Waldner, erklärte: „Wir wollen das Verständnis füreinander und unsere bestehende Partnerschaft vertiefen, um neue Dialoge und Möglichkeiten für beide Regionen zu schaffen. Indem wir zusammen arbeiten, können wir uns besser den Herausforderungen in einer globalisierten Welt stellen und zu Frieden, Stabilität und Entwicklung beitragen und soziale Kohäsion, Demokratie und regionale Integration vertiefen.” (aus Mitteilung der Europäischen Kommission, IP/05/155. 2005).

 

Diese aktuelle Strategie konzentriert sich u.a. folgende Kernpunkte:

 

·         verstärkte strategische Partnerschaft mit Hilfe eines Geflechts von Assoziations- und Freihandelsabkommen nach den Vorbildern Mexiko und Chile,

·         zielorientierter politischer Dialog, um den Einfluss der beiden Regionen auf der internationalen Ebene zu stärken,

·         Dialoge über sozialen Zusammenhalt und Umweltfragen,

·         die Kommission schlägt vor, alle zwei Jahre ein Forum für den sozialen Zusammenhalt (Kohäsion) und eine Tagung der Umweltminister zu organisieren, um die Gipfeltreffen EU-Lateinamerika/Karibik vorzubereiten,

·         die Schaffung eines stabilen und vorhersehbaren Rahmens, der den lateinamerikanischen Ländern ermöglicht, mehr europäische Investitionen auf sich zu lenken, die auf längere Sicht zu wirtschaftlicher Entwicklung beitragen; die Kommission ermutigt die Europäische Investitionsbank, eine „Lateinamerika-Fazilität”einzuführen, um mit Darlehen die Verbundfähigkeit der Infrastrukturnetze zu unterstützen (vgl. ebd.).

 

Die normativen Verweise, aus der sich der Anspruch der Kohärenz und sozialer Kohäsion ableiten lassen, sind mannigfaltig. Beeinflusst durch den politischen Anspruch menschenrechtlicher und entwicklungspolitischer Nachhaltigkeit ist die Zielgröße Kohärenz und soziale Kohäsion der EU-Außenwirtschafts- und Handelspolitikpolitik bereits aus dem EG Gründungsvertrag ableitbar. In Artikel 131 heißt es dort zunächst allgemein zur Rolle der Handelspolitik: „Durch die Schaffung einer Zollunion beabsichtigen die Mitgliedstaaten, im gemeinsamen Interesse zur harmonischen Entwicklung des Welthandels, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und zum Abbau der Zollschranken beizutragen”(ebd.);

 

In Artikel 177 wird demgegenüber jedoch hervorgehoben:

Die Politik der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit, die eine Ergänzung der entsprechenden Politik der Mitgliedstaaten darstellt, fördert die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Entwicklungsländer, insbesondere der am meisten benachteiligten Entwicklungsländer; die harmonische, schrittweise Eingliederung der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft; die Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern.

(2) Die Politik der Gemeinschaft in diesem Bereich trägt dazu bei, das allgemeine Ziel einer Fortentwicklung und Festigung der Demokratie und des Rechtsstaats sowie das Ziel der Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu verfolgen.

(3) Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten kommen den im Rahmen der Vereinten Nationen und anderer zuständiger internationaler Organisationen gegebenen Zusagen nach und berücksichtigen die in diesem Rahmen gebilligten Zielsetzungen”(Konsolidierte Fassung des EG Gründungsvertrages).

 

Eine zu Artikel 177 und Artikel 178 (bindende Verpflichtung zur Erfüllung der Entwicklungsziele) kohärente Handels- und Außenwirtschaftspolitik kann dieser Auffassung nach der Armutsbekämpfung, der sukzessiven Integration, der Wahrung der Menschenrechte entsprechend der internationalen Abkommen nicht zuwiderhandeln. Dementsprechend ist u.E. ein entsprechendes politisches Assessment geboten, wobei eine zentrale Arbeitsfrage sich darauf konzentrieren muss, ob die vorhandenen politischen Strukturen dafür geeignet sind, bzw. welche Rolle andere Akteure bspw. im Sinne eines Observatoriums haben. Außerdem kann verwiesen werden auf Artikel 3 des Vertrages „Über die Europäische Union”, in dem gefordert wird, dass die Union „insbesondere auf die Kohärenz aller von ihr ergriffenen außenpolitischen Maßnahmen im Rahmen ihrer Außen-, Sicherheits-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik”achtet.

Als Kohärenzkriterien können mit Rückgriff auf die Beschlüsse der Agenda 21, des Monterrey Gipfel, der Doha Development Agenda, des Nachhaltigkeitsgipfels von Johannesburg (WSSD) sowie der UN-Millenium-Zielen, soziale Entwicklung, wirtschaftliches Wachstum und Umweltschutz gelten, die jeweils als Teilaspekte von Nachhaltigkeit definiert sind. Dazu zählen insbesondere auch unter Hinweis auf die im Amsterdamer Vertrag (Mai 1999) und der Grundrechtecharta (Nizza 2000) festgelegten Verpflichtungen zur Wahrung der universellen Menschenrechte.

Als deklaratorischer Schritt zur Umsetzung des Kohärenzanspruchs ist die gemeinsame Entschließung vom 27. April 2006 zu einer festeren Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika zu sehen, wie auch die Erklärungen auf den Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs Lateinamerikas, der Karibik und der Europäischen Union in Rio de Janeiro vom 28. und 29. Juni 1999, vom 17. und 18. Mai 2002 in Madrid, vom 28. und 29. Mai 2004 in Guadalajara und vom 11.-13. Mai 2006 in Wien. Ferner ist in diesem Kontext auf folgende Erklärungen zu verweisen:

·         die strategische Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über eine verstärkte Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika, die im Hinblick auf das IV. Gipfeltreffen EU-Lateinamerika/Karibik vorgelegt wurde, das am 12. und 13. Mai 2006 in Wien stattgefunden hat (KOM(2005)0636),

·         die Erklärung des Gipfeltreffens in Wien vom Mai 2006,

·         die Schlussakte der XVII. Interparlamentarischen Konferenz Europäische Union-Lateinamerika vom 14. bis 16. Juni 2005 in Lima.

 

Das Problem der soziale Kohäsion im engeren Sinne wurde insbesondere auf dem Gipfeltreffen 2004 von Guadalajara betont (Commission of the European Communities 2004, 7). Obwohl Lateinamerika über ein höheres Bruttosozialprodukt verfüge als Osteuropa, Nordafrika und bestimmte Regionen Asiens, sei der Anteil der armen Bevölkerung mit über 44% wesentlich höher als in anderen Vergleichsregionen. Eine Außenhandelspolitik müsse dementsprechend zum Ausgleich und zur Armutsbekämpfung beitragen. Ferner heißt es: “Addressing these problems with the objective of increasing the levels of social cohesion is an overriding priority for Latin America. Latin America can no longer postpone taking bold measures in social and fiscal policies to respond to the signals of distress coming from a significant part of the population (ebd.).

Das Konzept der sozialen Kohäsion bezieht sich thematisch auf Armut, Ungleichheit und soziale Exklusion und wurde auf dem Gipfel in Guadalajara von 2004 erstmals als Priorität der Beziehungen EU-Lateinamerika formuliert. In der politischen Agenda der Europäischen Kommission ist soziale Kohäsion definiert als eine Zielsetzung “To prevent and eradicate poverty and exclusion and promote the integration and participation of all in economic and social life (ebd.)”?.

 

Ein Subthema der sozialen Kohäsion sind Sozialstandards. So stimmte die Europäische Kommission im Jahre 2003 explizit  entsprechenden Empfehlungen des Rates zu Handel und Kernarbeitsnormen mit Hinweis auf die Verpflichtungen der Handelspolitik zu. In einer Stellungnahme begrüßt die EU-Kommission die Erklärung des Rates zu Handel und Arbeitsnormen (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003). Dabei werden Maßnahmen vorgeschlagen, die im Wesentlichen den Status Quo der Verantwortung anderer Institutionen betont, bzw. an diese Institutionen (ILO etc.) delegiert, wie dies auch in der WTO üblich ist:

 

·         „Förderung eines effektiveren Dialogs zwischen WTO und ILO. Dies würde u.a. bedeuten, beiden Organisationen die Möglichkeit zu geben, regelmäßig an den jeweiligen relevanten Tagungen der anderen Seite teilzunehmen und gemeinsame Studien und Initiativen durchzuführen, die darauf abzielen, das

·         Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Handel und Arbeitsnormen kontinuierlich zu verbessern.

·         Förderung wirksamer und befristeter Programme zur Abschaffung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit durch Vorbeugung, Schutz und Wiedereingliederung und Unterstützung der diesbezüglichen Arbeit der ILO.

·         Einbeziehung des Aspekts der Achtung der Kernarbeitsnormen in die regelmäßigen WTO-Überprüfungen der EU-Handelspolitik.

·         Schaffung von Anreizen zur Förderung der Kernarbeitsnormen im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems der EU.

·         Berücksichtigung der Kernarbeitsnormen und der sozialen Ausrichtung der Politik in der EU-Entwicklungspolitik, insbesondere bei der Formulierung der Länderstrategiepapiere, im Einklang mit dem Oberziel der Armutsbekämpfung, u.a. durch Aufbau von Kapazitäten in den Entwicklungsländern zur Durchsetzung der Kernarbeitsnormen”(ebd.,1).

 

Kernarbeitsnormen sind demnach kein hartes Ausschlusskriterium für den Abschluss von Handelsverträgen oder Begünstigungen durch das Allgemeine Präferenzsystem (APS). In den Verhandlungen über die Erweiterung des Präferenzsystems (u.a. APS +) wurde anhand des Falles El Salvador (s.o.) im politischen Bereich erwogen, einzelnen Ländern bei Nichterfüllung Zollpräferenzen zu verwehren. Da es sich bei den Exportbranchen in Zentralamerika und in der CAN-Region größtenteils um Sektoren handelt, bei denen die Arbeitsbedingungen zumindest problematisch sind, ist die Anwendung dieser sehr weich formulierten Sozialklausel jedoch in der Praxis sehr unwahrscheinlich.

 

 

2.1 Verschiebungen des Kohärenzparadigmas im Kontext der globalen Konkurrenz

 

Kohärenz und soziale Kohäsion sind Prioritäten, die der spezifischen Hierarchie der Politikebenen unterworfen sind. Gleichzeitig sind die dabei zugrunde liegenden Primate der EU zwar sehr kontinuierlich, jedoch nicht statisch. Sie werden den aktuellen Erfordernissen der Handelspolitik angepasst. In bestimmten Zielregionen, die wie SICA und CAN nicht vornehmlich auf die EU ausgerichtet sind, geht es zunächst um eine Reaktion auf Integrationsstrategien der Konkurrenten (in Lateinamerika die USA).

Dabei werden die Prinzipien des europäischen Sozialmodells intern wie extern an Bedeutung verlieren (siehe hierzu die Lissabon-Strategie sowie das seit Herbst 2006 proklamiert „Global Europe”-Konzept). Im Juni 2006 formulierte die EU-Kommission ein Vorschlagspapier zur Kohärenz, Effizienz und Sichtbarkeit ihrer Politikfelder (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 8.6.2006/ KOM(2006) 278). Ausgehend von der aktuellen Konstellation der internationalen Politik (verschärfter Wettbewerb, asiatische Konkurrenz, Sicherheitsrisiken) wird dabei implizit das Kohärenzprimat reformuliert: Demnach gehe es in den Bereichen Handel und Wettbewerbsfähigkeit nach wie vor um eine schrittweise Öffnung der Weltmärkte, während für die Entwicklungsstrategie der EU gegenüber Afrika, Karibik und Pazifik die Primate der Milleniumsziele und des Multilateralismus gelten.

Das EU-Modell der Zusammenarbeit und Integration diene dabei explizit der internationalen Sicherheit, der Sicherstellung der Rohstoffe und anderer wirtschaftlicher und politischer Imperative. Auf dieser Basis wird in dem Papier vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten und die EU-Organe gemeinsam folgende Fragen angehen:

 

• Wie kann die EU-Außenpolitik so formuliert und umgesetzt werden, dass sie künftigen Bedrohungen und Chancen gerecht wird?

• Wie können Effizienz und Wirkung der EU-Politik und -Maßnahmen erhöht werden, indem alle verfügbaren Instrumente der externen und internen Politik kohärenter eingesetzt und die besonderen Kompetenzen und Stärken der Mitgliedstaaten und Organe genutzt werden?

• Wie kann die demokratische Rechenschaftspflicht und Sichtbarkeit der EU-Politik und – Maßnahmen und damit ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit erhöht werden?”

 

Daraus lassen sich zur Handelspolitik und sozialer Kohärenz zwei Grundauffassungen der EU erkennen:

 

1. Im Bereich Handel und Wettbewerbsfähigkeit wird das Primat der sukzessiven Öffnung der Weltmärkte und ein auf Regeln basierendes Welthandelssystem verfolgt, das die für Investitionen nötige Berechenbarkeit und größere Auswahl biete, die Union international wettbewerbsfähiger mache, die Preise senke und die Auswahl für den Verbraucher vergrößere. Entwicklungsländer profitierten vom verbesserten Marktzugang durch Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen.

Die Wettbewerbsfähigkeit der EU ist dementsprechend implizit als Wettbewerb mit anderen Weltmarktintegrationsmodellen - etwa asiatischer Wirtschaftsmächte und der USA - gedacht. Handelsvereinbarungen der EU mit den Zielregionen Zentralamerika und der Andengemeinschaft stehen objektiv in erster Linie in Konkurrenz zur US-Außenwirtschaftspolitik im Sinne einer schrittweisen Erweiterung bisheriger Investitionen und der Erschließung neuer profitabler Sektoren, ohne dabei bspw. die politischen gemeinsamen Ziele der nordatlantischen Zusammenarbeit in Frage zu stellen. Brennpunkte dieser Konkurrenz sind weniger diese Regionen als Absatzmärkte und Standorte für industrielle Direktinvestitionen (wie etwa z.T. Brasilien), sondern langfristig die strategische Basis für den Eingang zollbegünstigter Waren auf den nordamerikanischen Markt und kurz- und mittelfristig die Weiterentwicklung des Einstiegs europäischer Unternehmen bei der Privatisierung von Dienstleistungen (Telekommunikation, Energieversorgung) und öffentlichen Gütern (Trinkwasser), sowie weiterer Investitionen in extraktive Industrien, die Beteiligung an Bergbau, Erdgas- und Erdöl, in der die nordamerikanische (USA und Kanada) und asiatische Konkurrenz (Republik China, Japan und asiatische Tigerstaaten) ebenfalls stark vertreten sind.

 

2. Im Bereich der Entwicklung beansprucht die EU eine wachsende politische Rolle entsprechend ihres steigenden Engagements bei der Verwirklichung der Millenniumsziele (MDG) und beim effektiven Multilateralismus im Kontext der Globalisierung. Der Europäische Entwicklungsfonds konzentriert sich dabei auf die Themen Governance, Menschenrechte, Wahlbeobachtung, Friedenssicherung, Investitionsklima und regionale Integration. Zentralamerika und die Andengemeinschaft bleiben für alle diese Themen EU-Zielregionen, auch wenn Einzelmaßnahmen der EU-Entwicklungszusammenarbeit sich in zentralen regionalpolitischen Fragen den US-Interessen eher unterordnen, wie etwa in den Fällen des internen Konfliktes in Kolumbien (Straffreiheit für Paramilitärs, indirekte Unterstützung für den Plan Colombia) oder des Umgangs mit der Regierung Venezuelas (vorauseilende Stellungnahmen von EU-Regierungen (Spanien) zur Begrüßung der Putschregierung von 2003). Kolumbien und Venezuela gelten gemeinhin als Problemfälle der Sicherheitspartnerschaft mit den USA, die prioritär gegenüber anderen strategischen Überlegungen auf den amerikanischen Märkten ist.

 

Die Bedeutung der Kohärenz wird innerhalb der Reihenfolge der unterschiedlichen EU-Prioritäten wie folgt beschrieben:

Sie setze u.a. “die klare Konzentration auf eine begrenzte Zahl von strategischen Prioritäten voraus, bei denen Europa den entscheidenden Unterschied machen kann, anstatt die Anstrengungen auf alle Bereiche zu verteilen. Dies ist die Conditio sine qua non”(ebd.). Es müsse ständig und mit Nachdruck daran gearbeitet werden, die Komplementarität der verschiedenen politischen Maßnahmen zu stärken und die verschiedenen Ziele (z.B. in den Bereichen Handel, Landwirtschaft, Entwicklung, Umwelt oder Migration) miteinander in Einklang zu bringen.

Kohärenz ist folglich im engen Kontext der jeweiligen Interessenlagen zu sehen. Dabei ist davon auszugehen, dass unmittelbare wirtschaftliche Interessen bspw. transnationaler europäischer Unternehmen für die Marktausrichtung in Lateinamerika insgesamt von großer Bedeutung sind, wie auch spezifische wirtschaftliche Interessengruppen in der EU (bspw. Landwirtschaft), wenn es um die Gestaltung von Einfuhrzöllen geht. Bei beidem ist jedoch zu sehen, dass (wie o.a.) die Bedeutung der Regionen SICA und CAN dabei relativ gering ist.

Nimmt man die Interessenlage europäischer transnationaler Unternehmen in Lateinamerika, so ergibt sich folgendes Bild: Zwischen 1992 und 2002 stieg zwar das Interesse für europäische Investitionen in nahezu allen lateinamerikanischen Ländern, während ihre relative Bedeutung durch die Orientierung nach Osteuropa und Asien jedoch relativ bedeutender war. Zwischen 1990 und 2000 stiegen die europäischen Investitionen in Lateinamerika dennoch total um 222%, der größte Teil der Investitionen lag dabei zwischen 1995 und 2000. Die Exporte von Waren aus der EU nach Lateinamerika machten jedoch 1993 gerade einmal 2,4 % des Gesamtumfangs aus und gingen 2002 sogar auf 2,1% zurück (Angaben nach Moro 2006). Es ist zu vermerken, dass Spanien mit etwa der Hälfte aller europäischen Direktinvestitionen dabei nach wie vor eine Hauptrolle spielt.

Steigender Kapitalzufluss und Investitionen aus Europa in Lateinamerika sind unmittelbar Ergebnis der Marktzurichtung selbst. Alfonso Moro beschreibt unter diesem Gesichtspunkt die Konsequenzen der Handelsförderung der EU in Lateinamerika und die Veränderung des rechtlichen Rahmens, in dem europäische Investitionen in Lateinamerika agieren (vgl. Moro 2006). Demnach handele es sich um drei Elemente einer Gesamtstrategie: 1. Europäische Direktinvestitionen, 2. Handelspolitik und 3. der rechtliche Rahmen über die so genannten gegenseitigen Investitionsschutzabkommen (Acuerdos Recíprocos sobre Promoción y Protección de las Inversiones <APPRIs>) (siehe auch FDCL Info-Bulletin N°1, Jan. 2004.).

Alle drei Elemente sind zentral für die Nuancierung der unmittelbaren Unterstützung der Interessen europäischer transnationaler Unternehmen durch die EU in Lateinamerika. Laut Moro haben insbesondere die Verhandlungen über die Nordamerikanische Freihandelszone NAFTA/ TLCAN 1994 die Vision der EU über ihre Außenhandelspolitik entscheidend verändert. Dies begründete sich zum einen durch die Gefahr des „Verlustes”des mexikanischen Marktes durch die Integration in NAFTA/ TLCAN und zum andern durch Befürchtungen, das NAFTA-Modell könne sich auf ganz Lateinamerika ausweiten und dort zu ähnlichen Resultaten führen. Mit anderen Worten wird der „NAFTA-Schock”als ein zentrales Motiv für intensive Bemühungen um Kooperation und Sicherung von Marktbedingungen für europäische Unternehmen gesehen, woraus im Konkreten die Assoziationsabkommen EU-Mexiko und EU-Chile resultieren.

Aus der Analyse lateinamerikanischer Kritiken an NAFTA/ TLCAN folgte eine terminologische Abgrenzung von der US-Außenwirtschaftspolitik in der Hinsicht, dass entsprechende Abkommen mit der EU nicht als ‚Freihandelsabkommen’ deklariert werden, sondern die Prinzipien der ‚Politischen Konzertation’, ‚Kooperation’ und ‚Wirtschaftlichen Assoziation’ betont und Abkommen deshalb als ‚Globalabkommen’ bezeichnet werden. Damit erscheint der Diskurs um die Verhandlungsprozesse als solche als ‚gemäßigt neoliberal’ entsprechend europäischer Leitlinien, die u.a. Kohärenz und Kohäsion beinhalten. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass unabhängig von den konkreten sektoralen Auswirkungen von NAFTA/ TLCAN in Mexiko (vor allem Ruinierung von lokalen Produzenten durch massive Agrarimporte aus den USA und weitgehende Investitionsschutzregeln für US-amerikanische und kanadische Konzerne in Mexiko) die so genannten ‚Side-Agreements on Social and Environmental Cooperation’ von NAFTA deutlichere Sozial- und Umweltklauseln beinhalten, als bspw. die Erklärung des EU-Rates zu Kernarbeitsnormen und Handelspolitik. So führten im Oktober 2006 mehr als 20 Arbeitsrechtsorganisationen aus Mexiko, den USA und Kanada gemeinsam eine Klage gegen die USA unter dem “Side Agreement”? (North American Agreement on Labor Cooperation, NAALC). Dabei ging es darum, dass der Bundesstaat North Carolina und die USA insgesamt 650.000 Angestellten des öffentlichen Dienstes die Vereinigungsfreiheit verwehren (Rundbrief des Global Policy Networks v. 17.10.2006).

Betrachtet man die spanischen Direktinvestitionen, so ist festzustellen, dass sich diese Investitionen auf Dienstleistungen, Telekommunikation, Energiesektor und Bankwesen konzentrieren (s.u.).

Zwischen 1991 und 2002 entfielen allein auf Argentinien, Brasilien, Chile und Mexiko 85% der europäischen Direktinvestitionen (Brasilien 42%, Argentinien 24% und Mexiko 13%). D.h., die Regionen SICA und CAN waren demgegenüber eher unbedeutend. Investitionspotentiale, die in diesen Regionen von europäischen Unternehmen erwartet werden, liegen vor allem in den Sektoren Dienstleitungen, Telekommunikation und Energie. Ein typischer Fall war dabei z.B. die Privatisierung des Wassersektors in Bolivien unter Beteiligung auch europäischer Investoren.

Zu erwartende, geplante und durch die Politik begünstigte Direktinvestitionen führen seit den achtziger Jahren zu verstärkten Bemühungen um Investitionsschutzmaßnahmen seitens der EU, der USA und asiatischer Wirtschaftsmächte und aktuell im Rahmen der Gruppe der führenden Wirtschaftsmächte G-8. Diese manifestieren sich in der Unterzeichnung von gegenseitigen Investitionsschutzabkommen (APPRIs, Acuerdos de Protección Recíproca de las Inversiones). Entsprechend wurden bereits in den 80iger Jahren zwischen den USA und Kanada und einigen lateinamerikanischen Ländern bilaterale APPRIS unterzeichnet.

Auf multilateraler Ebene war zweifellos der Abschluss des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA/ TLCAN mit der entsprechenden Investitionsschutzklausel in Kapitel 11 des Abkommens, das die Gleichbehandlung ausländischen Kapitals vorsieht, die Unmöglichkeit der Nationalisierung und Entschädigungsregelungen bei Verstößen.

Nach dem Vorbild dieser Regelung wurde Anfang der 90er Jahre von Japan, den USA, Kanada, der EU und anderen Wirtschaftsmächten ein multilaterales Investitionsschutzabkommen (MAI) angestrebt, das auf öffentlichen Druck und politischen Debatten in der EU jedoch vorläufig scheiterte und thematisch vorläufig an die OECD delegiert wurde, allerdings auf bilateraler Ebene (APPRIs) und in multilateralen Freihandelsabkommen (NAFTA/ TLC) eher verschärft weiterverfolgt wird.

Die UNCTAD (UNCTAD World Investment Report 2003) konstatiert zwischen 1991 und 2002 weltweit allein 1.641 Gesetzesänderungen zur Investionsbegünstigung. In den gegenseitigen Abkommen zur Förderung und zum Schutz von Investitionen wird dabei Investition nicht nur als Direktinvestment definiert, sondern auch als Portfolioinvestment, mit entsprechenden legalen Auswirkungen. Gleichzeitig wird Investoren das Recht eingeräumt, individuelle Klagen gegen einen Staat vor einem internationalen Tribunal zu führen (vgl. Moro 2006; FOCO 2006; FDCL Info-Bulletin N°1, Jan. 2004). Insbesondere verfolge die EU dabei die Unterzeichnung der so genannten APPRI’s als Rückrat ihrer Freihandelsvereinbarungen dergestalt, dass sie diese als Bedingung für Handelsintegration in Anlehnung an die WTO fordert und diese im Hinblick auf die Debatte der so genannten ‚Singapurthemen’ in der WTO sogar noch verschärft (Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, Schutz geistigen Eigentums, Investitionsschutz u.a.). Damit werden zunehmend Länder attraktiv für Freihandelsvereinbarungen, in denen bislang keinen relevanten Direktinvestitionen stattfinden und daraus leitet sich die gestiegene Evidenz der Regionen SICA und CAN ab.

Die Abkommen EU-Mexiko, EU-Chile und alle anderen, die die EU mit lateinamerikanischen Ländern verhandelt, unterscheiden sich von der Ausrichtung der Abkommen mit den USA im wesentlichen darin, dass sie Kapitel zur “Politischen Konzertation und Kooperation”? beinhalten, die jedoch handelspolitische Asymmetrien prinzipiell nicht berühren. Das Primat des Investitionsschutzes ist eindeutig prioritär gegenüber der Thematik der Kohärenz und der sozialen Kohäsion. Dem entspricht bspw. die Auffassung des Deputy Director-General of Trade at the European Commission, Karl Falkenberg, nach der nur Freihandelsabkommen, die sowohl reziprok seien, als auch umfassende Investitionsregeln beinhalten, für die EU Sinn machten (TWN-Af,-29 June, 2006).

 

 

2.2 Integrationsprozesse EU-Lateinamerika

 

Nach Auffassung der EU-Kommission (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003) leiten sich Integrationsbemühungen mit Lateinamerika aus unterschiedlichen historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Gründen ab. Gegenwärtig, so wird konstatiert, befände sich Lateinamerika - explizit mit Ausnahme von Kuba - in regionalen Integrationsprozessen (Mercosur, Andengemeinschaft, Zentralamerika) flankiert von Freihandelsabkommen, die sich auf den Welthandel auswirkten und somit zu wirtschaftlichem Wachstum und zur Entwicklung der Region beitrügen. Hervorgehoben wird der Reichtum an natürlichen Ressourcen, aber auch Risken dieser Regionen. Die EU-Politik sieht sich dabei als Promotor der Demokratisierung, des Kampfes gegen soziale Ungleichheiten, der wirtschaftlichen Integration und der Erhaltung der Umwelt et al.

Die handelspolitische Evidenz Lateinamerikas als Gesamtheit ergibt sich für die EU aus der Faktenlage.

Der Warenaustausch hatte in den letzten Jahren eine Steigerungsrate zu verzeichnen, die über dem weltweiten Durchschnitt lag, was jedoch subregional unterschiedlich ausgeprägt war: Demnach entfielen 2000 5% der EU-Ausfuhren auf Lateinamerika (die Hälfte davon auf den Mercosur). Die Zunahme des Handels der EU mit Lateinamerika entspräche damit der Zunahme des globalen Handels. Dabei blieb der Handel mit den Vereinigten Staaten bedeutender. Von 1980 bis 2000 ging der Anteil der EU am lateinamerikanischen Handel von 20% auf 15% auf 5% zurück, während sich der Anteil der Vereinigten Staaten von 35% auf 47% erhöhte.

Die ausländischen Direktinvestitionen  in Lateinamerika stiegen im Zeitraum 1996 bis 1999 von 31.179 Million USD auf 73.915 Millionen USD. Dies sei, so die EU Kommission, insbesondere auf die Privatisierungsprogramme einiger Länder in der Industrie und im Dienstleistungssektor zurückzuführen.

Die Investitionen der EU-Länder steigerten sich von 13.289 Mio. USD auf 42.266 Mio. USD und nahmen damit den ersten Platz ein. An den Privatisierungsprozessen (öffentlicher Sektor, Banken, Telekommunikation, Luftverkehr, Energie) war eine starke Beteiligung europäischer, insbesondere spanischer Unternehmen zu verzeichnen. Durch das Auslaufen massiver Akquisitionsprogramme in Brasilien gingen die ausländischen Direktinvestitionen im Jahr 2000 um 22% zurück (EU nach OECD -Angaben). Wirtschafts- und handelspolitisch haben nach Auffassung der EU-Kommission die Länder Lateinamerikas eine Reihe von Prioritäten zu setzen:

·         Diversifizierung der Produktion und des Exportangebots und Integration eines größeren Teils des Mehrwerts in die Exporterzeugnisse;

·         Fortführung der regionalen Integration, Beteiligung am internationalen Handel und Beitritt zu den WTO-Regeln; Verstärkung des Warenaustauschs mit den übrigen Regionen der Welt;

·         Förderung ausländischer Investitionen durch Schaffung eines sicheren, stabilen und für die Unternehmen transparenten ordnungspolitischen Rahmens; Öffnung strategischer Wirtschaftssektoren nach außen;

·         Zugang zur Forschung und zu den Informations- und Kommunikationstechnologien zwecks Überwindung der technologischen und digitalen Kluft;

·         Entwicklung von Verkehrs- und Kommunikationsinfrastrukturen, einschließlich eines intraregionalen Netzverbundes;

·         Politik einer effizienteren Energiewirtschaft unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsfähigkeit, der Versorgungssicherheit und des Umweltschutzes.

·         Diversifizierung der Produktion und des Exportangebots und Integration eines größeren Teils des Mehrwerts in die Exporterzeugnisse (ebd.).

 

In der so genannten ‚Regionalen Programmierungsstrategie’ der Europäischen Kommission wird die handelspolitische Priorität in einem Kernsatz zusammengefasst: Der Ansatz der Europäischen Union stehe im Einklang mit dem multilateralen Liberalisierungsprozess des Welthandels innerhalb der WTO. Demnach entspräche das allgemeine Präferenzsystem den WTO-Regeln und befinde sich in ganz Lateinamerika in Anwendung.

Neben den aktuellen Interessenlagen begründen politische Verbindungslinien, Dialog- und Konfliktthemen die zunehmende Evidenz der Erweiterung der bestehenden Assoziationsabkommen mit Lateinamerika.

Bis in die achtziger Jahre des 20 Jahrhunderts dominierten zunächst bilaterale Beziehungen zwischen einzelnen EU-Mitgliedsstaaten und lateinamerikanischen Ländern. Mit der Erweiterung und inneren Konsolidierung der Kernländer der EU (u.a. durch die EFTA 1993 und Währungsunion 1999 etc.) treten diese als Sachwalter zunehmend einheitlicher Interessen gegenüber Lateinamerika auf. Das entsprechende Mandat wird vornehmlich von Spanien und bedingt von Portugal wahrgenommen; durch die steigende Bedeutung europäischer Investitionen jedoch auch von anderen EU-Kernländern beansprucht.

Von einigen Analysten wird betont, dass die Interessen der EU dabei nicht vornehmlich handelspolitischer- sondern vor allem politisch-strategischer Art seien (siehe auch unter 2.1).

Folgt man der spezifischen Form der Institutionalisierung der unterschiedlichen Integrationsprozesse EU-Lateinamerika, so kann auch diese These gewisse empirische Evidenz beanspruchen.

Ähnliches lässt sich auch für den Zusammenhang der Außenwirtschaftsförderung im Kontext der Kooperation feststellen: Bereits seit 1974 wird technische und finanzielle Unterstützung der EU innerhalb von Programmen gewährt, die Kooperation und regionale Integration fördern sollen. Diesem Zweck dienen insbesondere die Fonds der Europäischen Investitionsbank. Die dafür bereitgestellten Mittel werden zum Teil über die europäischen Mitgliedsstaaten der ‚Interamerikanischen Entwicklungsbank’ (BID, Banco Interamericano de Dessarrollo) kanalisiert, die speziell exportwirtschaftliche Entwicklung mit Vorhaben der EU verbinden, Normenanforderungen der EU-Märkte zu entsprechen und die Investitionsbedingungen für privates europäisches Kapital zu verbessern. Das gilt in noch viel stärkerem Maße für Abkommen der so genannten ‚vierten Generation’ (s.u.), in denen der Zugang zu Förderprogrammen mit dieser Zielrichtung erweitert wurde. Dazu gehören Programme für Trainings, Ausbildung, neue Technologien und zur Entwicklung von Infrastruktur und Dienstleistungen, die unmittelbar mit privatwirtschaftlichen Vorhaben einhergehen, in denen z.B. öffentliche Mittel der EU eingesetzt werden, um Voraussetzungen für Investitionen in Privatisierungsvorhaben zu schaffen oder Zulieferstrukturen europäischer Vermarkter in Lateinamerika hinsichtlich der EU-Importnormen auszurichten. Dieser Zusammenhang ist nicht grundsätzlich neu und unterscheidet sich nur graduell von der US-amerikanischen Außenwirtschaftsförderung; die Evidenz steigt jedoch im Zuge der Freihandelsvereinbarungen der EU mit den Regionen SICA und CAN. Durch ein 2002 formuliertes „Memorandum of Understanding”, das zwischen der Europäischen Kommission und der Interamerikanischen Entwicklungsbank unterzeichnet wurde, eröffnete sich der Weg zu gemeinsamen Kooperationsmaßnahmen, die insbesondere die Regionen SICA und CAN betreffen.

 

 

 

2.2.1 Exkurs: Handelsvereinbarungen der EU mit Lateinamerika

 

Ausgangspunkt für erste multilaterale Verhandlungsprozesse mit Lateinamerika waren die 1960 gegründeten regionalen Handelsblöcke MCCA (Gemeinsamer Zentralamerikanischer Markt - Mercado Común Centro Americano) und ALALC (Lateinamerikanische Freihandelsverband - Asociación Latino Americana de Libre Comercio).

1969 wurde von der Gruppe andiner Länder das Abkommen von Cartagena (Acuerdo de Cartagena) geschlossen (Bolivien, Kolumbien, Chile, Ecuador und Peru). 1973 schloss sich Venezuela an, Chile schied 1974 aus der Gruppe wieder aus.

Die karibischen Staaten bildeten 1968 CARIFTA (Freihandelsvereinigung der Karibik -  Asociación de Libre Comercio del Caribe), das 1970 in den CARICOM (Gemeinsamer Markt der Karibik) mündete. Aus der CARICOM heraus wurde die Vereinigung der Staaten der Karibik (Asociación de los Estados del Caribe ACS) vorgeschlagen (1990).

Der Vertrag von Montevideo von 1980 überführte ALALC in ALADI (Lateinamerikanische Integrationsvereinigung). Hauptanliegen dieses Zusammenschlusses ist gegenwärtig die Konvergenz aller die Region betreffenden Handelsabkommen.

Aus ALADI ging u.a. eine Gruppe vorn Ländern hervor, die 1991 den Mercado Común del Sur (MERCOSUR) gründete.

Als eine zentrale Initiative lateinamerikanischer Länder zur Verstärkung der Handelsverflechtungen mit der EU (und damit der Marktzugänge für Exportprodukte) kann die Erklärung der Staatspräsidenten der lateinamerikanischen Länder von Buenos Aires von 1970 angesehen werden. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Handelsbeziehungen einen relativen Tiefpunkt erreicht, während die EU bereits afrikanischen Ländern Handelspräferenzen einräumte und das Abkommen von Lomé abschloss.

Seitens der EU wurde der Vorschlag eines gemeinsamen Rates 1971 aufgenommen. Zwischen 1971 und 1976 stiegen die bilateralen Beziehungen stetig an. Es wurden nicht-präferentielle Abkommen zwischen der EU und Argentinien 1971, Mexiko 1973, Brasilien 1973 und Mexiko 1975 geschlossen. Bei diesen Abkommen der so genannten ‚ersten Generation’ handelte es sich um Handelsabkommen, in denen keine Präferenzen festgelegt waren (s.o.).

Die in diesem Kontext geschlossenen Abkommen mit der EU hatten mehr als nur bilateralen Charakter. Es handelte sich um:

1. kommerzielle bilaterale Abkommen zwischen der EU und Argentinien, Brasilien und Uruguay,

2. den Pakt der Wirtschaftlichen Kooperation mit Mexiko,

3. spezielle Abkommen wie über den Import/ Export von Textilien mit Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Guatemala, Mexiko, Peru und Uruguay,

4. spezielle Quotenregelungen für bestimmte Handwerksprodukte mit Uruguay, Brasilien, Ecuador, Paraguay, Honduras, Peru und El Salvador.

Wenn auch die Aufmerksamkeit der EU auf Staaten, die unter das Lomé-Abkommen fielen, wesentlich größer blieb, wurden mit diesen Vereinbarungen in der Zeit des Entstehens des Allgemeinen Zollpräferenzsystems (APS) entscheidende Weichenstellungen für lateinamerikanische Länder gestellt. Dass damit gleichzeitig machtbedingte Asymmetrien zwischen der EU und Lateinamerika modernisiert werden sollten, ist selbstredend.

 

 

2.2.2 Der Weg zu Abkommen der ‚Vierten Generation’

 

Bis etwa 1970 waren bilaterale Abkommen auf wenige Themen bezogen, während zwischen 1970 und 1979 eine Generation von Handelsabkommen geschlossen wurde, in denen Handelspräferenzen Berücksichtigung finden.

Zwischen 1980 und 1989 wurden diese durch Kooperationsrahmenabkommen ergänzt, deren Abschlüsse etwa in der Periode zwischen 1990 und 1994 liegen. Dabei handelt es sich um so genannte Abkommen der so genannten ‚Dritten Generation’.

 

‚Abkommen der vierten Generation’

Mitte der 90er Jahre vertieften sich die bi-regionalen Prozesse über die Rahmenabkommen über Kooperation und Wirtschaft. Diese enthielten so genannte Klauseln über Demokratie und Entwicklung (Demokratieklausel und Evolutionsklausel). Mit der Demokratieklausel sollten demokratische und menschenrechtliche Prozesse gefördert- und über die Evolutionsklausel zusätzliche Entwicklungsvorhaben zwischen den Parteien vereinbart werden, ohne dass neue Rahmenabkommen notwendig werden. In dieser Phase wurden folgende Abkommen geschlossen: mit Argentinien am 2. April 1990, Chile am 20. Dezember 1990, mit Mexiko und Uruguay 1991, mit Paraguay 1992, mit Brasilien 1992, mit Zentralamerika 1993 und mit den Andenländern 1993. Gleichzeitig schlossen die EU und der MERCOSUR ein Abkommen zur inter-institutionellen Kooperation.

Bereits in den 80iger Jahren begann die EU, soziale und politische Interessen zu formulieren, die bspw. deutlich Bezug auf die Begleitung der Transformationsprozesse und den bewaffneten Konflikten in Zentralamerika nahmen. Dabei geriet die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu einem zentralen Anspruchs- und Einflussindikator für Assoziation und Kooperation mit lateinamerikanischen Ländern.

Aus der systematischen Verdichtung der vorgenannten Prämissen entwickelten sich zwischen 1995 und 2000 die so genannten ‚Abkommen der vierten Generation’. Die aktuellen Verhandlungsprozesse knüpfen einerseits an vorhandene Vereinbarungen an und erweitern diese mit unterschiedlichen Optionen.

Der Impuls für Abkommen der ‚vierten Generation’ ging vor allem von der Vereinbarung mit dem Mercosur aus dem Jahr 1995 aus (Interregionales Rahmenabkommen zur Kooperation EU/MERCOSUR) und von einem weiteren, das von Chile 1996 unterzeichnet wurde (Interregionales Rahmenabkommen zur Kooperation EU/ Chile). Mit Mexiko wurde ein neues Abkommen 1997 unter dem Namen (Assoziationsabkommen über Wirtschaft, Zusammenarbeit, Politik und Kooperation) EU/ Mexiko vereinbart.

Mexiko war außerdem das erste lateinamerikanische Land, das ein Freihandelsabkommen mit der EU am 23. März 2000 unterzeichnet hat und das seit dem 1. Juli 2000 in Kraft getreten ist.

Abkommen der ‘vierten Generation’, an die die Verhandlungsprozesse der EU mit den Regionen CA und CAN anknüpfen, beinhalten folgende Kernprinzipien und Forderungen der EU an die Partnerländer, die z.T. mit den o.g. handelspolitischen Prioritäten deckungsgleich sind:

·         Wirtschaftliche Assoziation,

·         Koordination und politische Kooperation,

·         Abkommen, die auf dem Prinzip der Reziprozität des Marktzugangs zum gegenseitigen Interessenausgleich basieren,

·         Institutionalisierung des politischen Dialogs,

·         Liberalisierung des Handels von Gütern und Dienstleistungen in Übereinstimmung mit den Normen und Regeln der Welthandelsorganisation <bilateral und präferenziell, progressiv und gegenseitig/ reziprok>,

·         Respekt demokratischer Prinzipien und Menschenrechte,

·         Bildung eines gemeinsamen Rats,

·         Zusammenarbeit in unterschiedlichen Sektoren (Industrie, Finanzinvestitionen, kleine und mittlere Unternehmen),

·         Entwicklungsklausel,

·         Vereinbarungen über öffentliche Auftragsvergabe,

·         Politiken zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft,

·         Respekt des Eigentumsrechts,

·         Dialog auf unterschiedlichen politischen Ebenen

 

Carlos D. Martin fasst die Problematik der Abkommen der ‚vierten Generation’ wie folgt: „Die zweite Prämisse, eng verbunden mit der vorherigen ist, dass mit der Unterzeichnung der Abkommen der vierten Generation die Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika an einem Punkt angelangt sind, von dem es nur schwer eine Rückkehr gibt, aufgrund ihrer Implikationen und ihrer Konsolidierung” (Martin 2006). Unabhängig davon, ob dieser ‚way-of-no-return’ als Risiko oder als Chance betrachtet wird, handelt es sich zweifellos um einen qualitativen Sprung in den Beziehungen EU-Lateinamerika.

Es ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, dass die EU parallel Prozesse der internen lateinamerikanischen Integration fördert, bspw. durch die Modifizierung des Herkunftsprinzips nach den Meistbegünstigungsklauseln in Richtung der Ausweitung des Imports von zollbegünstigten Waren auf Drittländern der regionalen Wirtschaftsgemeinschaften. Dieser Ansatzpunkt ist von konkreter Bedeutung für die Option einer möglichen Homologisierung der Handelsabkommen mit der EU mit Präferenzabkommen zwischen Zentralamerika und den USA (CAFTA) und den Andenländern und den USA (APT-DEA vorläufig bis 31.1.2006).

 

 

3. Der Verhandlungsprozess EU-SICA und EU-CAN auf Basis der ‚Abkommen der vierten Generation’

 

Das zweite Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Länder der EU, Lateinamerikas und der Karibik (EU-ALC) 2002 in Madrid kann als Meilenstein auf dem Weg der Verhandlungen der EU mit den Regionen SICA und CAN angesehen werden. Dabei wird das auf diesem Gipfel abgeschlossene Assoziationsabkommen (Globalabkommen) zwischen Chile und der EU gemeinhin als Modell für andere regionale Integrationsprozesse auf dem lateinamerikanischen Kontinent angesehen. Aus Sicht der EU-Kommission habe dieses Abkommen bspw. (vorläufig) die aktuellen Verhandlungen der EU mit dem Mercosur vorangebracht. Zweifellos bietet damit das Assoziationsabkommen mit Chile einen Orientierungsrahmen für die spezifischen Verhandlungsprozesse der EU mit den Regionen SICA und CAN aus.

Auf dem Madrider Gipfel wurden ferner Abkommen über einen politischen Dialog und über Zusammenarbeit zwischen der EU mit Zentralamerika und der Andengemeinschaft vereinbart. Für beide Regionen hatte die Europäische Kommission bereits eine Empfehlung für einen Beschluss des Rates zur Eröffnung von Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss dieser Abkommen angenommen.

 

 

3.1 EU-SICA/ SIECA: Parität mit CAFTA?

 

Der zentrale Schritt in der Annäherung der EU und den SICA-Staaten zur Erlangung einer engeren Kooperation bis hin zur Integration geht vor allem auf den so genannten San José-Prozess von 1984 zurück, an dem die EU als aktiver Partner Zentralamerikas einen Beitrag zur Beendigung der Bürgerkriege in Nicaragua, El Salvador und Guatemala (mit Auswirkungen auf Honduras und Costa Rica durch Präsenz und Unterstützung der antisandinistischen Contra) leistete. Die Befriedung und Integration von Kombattanten der linken Aufstandsbewegungen in El Salvador und Guatemala und der rechtsextremen Contra Anfang der 90er Jahre wurde nach dem Ende des ‚zweiten kalten Krieges’ und dem absehbaren Ende der Sowjetunion zunehmend evident. Die EU wollte diesen Prozess mitgestalten und ihre Interessen in der Region wahrnehmen. Gleichzeitig war der so genannten San José-Dialog ein wesentliches Element der politischen Kooperation zwischen EU und Zentralamerika. Das letzte Treffen fand im Mai 2005 in Luxemburg statt und ging praktisch in die gegenwärtige Verhandlungsdynamik über eine politische und wirtschaftliche Assoziation über. Auf politischer Ebene wird jedoch eine aktive Rolle der EU weiterverfolgt. Markantes Beispiel ist dabei eine Resolution des EU-Parlamentes vom Oktober 2006, in der die Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen in Guatemala auch unter Aufhebung der Immunität gefordert wird. Dabei geht es um die Strafverfolgung des ehemaligen guatemaltekischen Staatspräsidenten Rios Montt (vgl. Europäisches Parlament Oktober 2006).

Als eine der Voraussetzungen für eine verstärkte Integration zwischen der EU und Zentralamerika wird insbesondere der Prozess der regionalen Integration angesehen. Die zwischen der EU und den zentralamerikanischen gebildete gemeinsame Ad-hoc-Arbeitsgruppe bewertete den Prozess der Integration auf den vorbereitenden Arbeitstreffen vor dem Gipfel 2006 in Wien als insgesamt positiv. Entsprechend der Willensbekundungen beider Seiten wurde der beschleunigte Abschluss eines Assoziationsabkommens verkündet.

Am 13. Mai 2006 gaben die Regierungen Zentralamerikas und die EU im rahmen des EU-Lateinamerikagipfels bekannt, ein wirtschaftliches Assoziationsabkommen mit einer Freihandelskomponente bis 2007 abzuschließen. Dieses Abkommen wird das aktuelle ‚Abkommen über Kooperation und politischen Dialog’ (geschlossen auf dem Gipfel in Madrid 2002, unterzeichnet 2003, s.o.) ergänzen und das APS-Zollpräferenzsystem für diese Länder ersetzen. Eine vollständige Freihandelszone mit der Region SICA ist demnach gegenwärtig für das Jahr 2010 angezielt, wird aber u.E. einen längeren Zeitraum benötigen.

Die EU-Strategie für 2007 bis 2013 berücksichtigt, dass die wirtschaftliche Verwundbarkeit der Region ausgesprochen hoch ist, und leitet daraus die Notwendigkeit von Politiken ab, die die soziale Kohäsion verbessern (European Commission: Discussion Paper for Dialogue. Regional Strategy for Central America. Brüssel. May 2005).

Als wesentliche Hemmnisse und Herausforderungen werden die ‚geringe demokratische Qualität’, die ‚wirtschaftliche Fragilität’, die ‚schwache soziale Kohäsion’ und die ‚Umweltproblematik’ hervorgehoben. Insbesondere jedoch bliebe die regionale Integration hinter den Anforderungen eines multilateralen Abkommen zurück: Es existiere keine interregionale Kultur des ‚Gemeinsamen zentralamerikanischen Marktes’ (MCCA) und es fehle Zentralamerika einer oder mehrerer Lokomotiven des Integrationsprozesses (ebd.). Während Costa Rica sehr verhalten gegenüber der regionalen Integration ist und dazu neigt, bilaterale Wege zu gehen (z.B. bilaterales Abkommen mit den USA), gilt die Achse San Salvador-Guatemala als Motor der Integration.

Auf der anderen Seite wurden auf Ebene der institutionellen Entwicklung und der Angleichung von Normen und Rechtssystemen Fortschritte erzielt.

Wirtschaftliche und handelspolitische Forderung der EU ist die Einhaltung der WTO-Regeln und zweifellos wird die Bananenmarktordnung in besonderer Weise in den Verhandlungen Berücksichtigung finden, insbesondere der Vorschlag der WTO eines einheitlichen Zollsatzes pro Tonne Bananen.

Als erster Schritt hin zur wirtschaftlichen Assoziation wird explizit auf die Notwendigkeit der regionalen Integration hingewiesen. Dieser Prozess soll einer gemeinsamen Evaluation unterzogen werden.

Die EU-Kommission formuliert drei Anforderungen an ein wirtschaftliches Assoziationsabkommen:

-          ein entsprechender funktionsfähiger institutioneller Rahmen;

-          Bildung einer Zollunion;

-          Senkung und der Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse im intra-regionalen Handel.

 

In der von der SICA-Gruppe im Jahr 2001 vorgeschlagenen regionalen Agenda wurden sechs Handlungsfelder vorgeschlagen, die von der EU-Kommission für die Strategie 2002-2006 übernommen wurden und bis heute gültig sind. Allerdings habe sich für eine Neuformulierung einer Strategie 2007-2013 der Umsetzungsprozess noch nicht hinreichend konsolidiert. Im Rahmen eines Kooperationsprogramms zur Förderung der regionalen Integration der EU in Zentralamerika (Programa de Apoyo a la Integración Regional, PAIRCA) werden jedoch signifikante Fortschritte erwartet.

Für eine erfolgreiche Umsetzung wird die Festlegung von Leitzielen empfohlen, die folgende Elemente umfasst:

1.       Steuerung der politisch-wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Regionen,

2.       Beitrag zur sozioökonomischen Entwicklung Zentralamerikas, anknüpfend an den San José-Dialog,

3.       Unterstützung der Konsolidierung der regionalen Integration.

 

Die soziale Kohäsion sei demgegenüber operational in nationalen Strategien zu entwickeln, es wird empfohlen, die Vorteile und regionaler und nationaler Strategien dabei miteinander zu vergleichen (vgl. ebd.).

Wenn auch das Handelsvolumen Zentralamerikas und Panamas mit der EU insgesamt nur 0,3% der Exporte der EU ausmacht, so steigt jedoch die Bedeutung der EU in der Region durch das dynamische Wachstum des Handelsvolumens in Zentralamerika von 1994 bis 2004 von 10% auf 15% (vgl. dazu Studie von CIFCA (Copenhagen Initiative for Central America and Mexico) 2006).

Um Aussagen über die Bedeutung der Region treffen zu können, sind unterschiedliche Aspekte abzuwägen, die sehr produktspezifisch sind. Generell können dabei vier Produktgruppen unterschieden werden:

 

1. Ein großer Teil der zentralamerikanischen Agrarexportprodukte gelangt zwar ohne Beschränkungen auf die europäischen Märkte, einerseits weil diese unter bestimmte Mechanismen des APS fallen, oder weil für diese (im wesentlichen Roh-) Produkte eine allgemeine Zollbefreiung gilt.

Auf diese erste Gruppe konzentriert sich das größte Volumen der zentralamerikanischen Exportprodukte nach Europa (90% Costa Rica und Guatemala, 98% Nicaragua, Honduras, El Salvador). Würden solche Produkte verarbeitet exportiert (bspw. gerösteter Kaffee), wären diese erheblichen Importzöllen unterworfen.

Zu den Rohprodukten, die unter diese Zollregelungen fallen, gehören auch Bananen. Die teure portugiesische, spanische und französische Produktion und die der ACP-Staaten werden demgegenüber gegen zentralamerikanische Konkurrenz geschützt. Ähnliches gilt für den stark subventionierten europäischen Rübenzucker gegenüber dem exportierten Rohrzucker aus Zentralamerika. Diese Praktiken wurden 2004 von der WTO kritisiert. Die EU begann daraufhin besondere Präferenzen und Subventionen im Rahmen ihrer Gemeinsamen Agrarpolitik und im Rahmen ihrer gemeinsamen Fischereipolitik sukzessive abzubauen. Auf diese Produkte würde sich möglicherweise ein Freihandelsabkommen mit der EU exportfördernd auswirken (während die europäische Zuckerindustrie vor einem gewaltigen Kapazitätsabbau steht), wobei die größten Profiteure Costa Rica und Honduras bei Bananen und El Salvador bei Zucker wären.

 

2. In einer zweiten Gruppe befinden sich u.a. Produkte mit einem höheren Verarbeitungsanteil, die, sofern sie in das APS fallen, durch die EU freien Zollzugang erhielten, während sie gegenwärtig mit Zöllen zwischen 10 und 20% belastet werden. Dazu gehören z.B. Teigwaren, Früchtekonserven, Honig, Säfte, Zigaretten und spezielle Produkte auf Kaffeebasis (Kaffeeschokolade et al). Weitere spezielle Produkte mit einem eher geringem Verarbeitungsgrad, die aber auch in der EU produziert werden und deshalb sensibel sind (z.B. Langusten), gehören ebenfalls in diese Gruppe.

Nach Auffassung von CIFCA würden zentralamerikanische Produzenten davon profitieren, dass durch ein Handelsabkommen längerfristige Sicherheit über den Zugang zu europäischen Märkten bestünde.

 

3. Eine dritte Gruppe umfasst Produkte mit moderaten Zollsätzen (zwischen 5 und 10%) für Produktgruppen von Ländern, die nicht unmittelbar durch das APS begünstigt werden. Dazu gehören bestimmte Früchte und Schnittblumen. Für Costa Rica machen diese bspw. 22% seines Handelsvolumens mit der EU aus.

 

4. Für die Produkte einer weiteren Gruppe hängt der Marktzugang zur EU in der Hauptsache nicht von Regelungen von Handelsabkommen ab. Dabei handelt es sich bspw. um Rohkaffee. Allein Rohkaffee repräsentiert 66% aller zentralamerikanischen Exporte in die EU.

 

Die prospektive Gewinner– und Verliererbilanz von zentralamerikanischen Exporteuren bestimmt sich einerseits dadurch, ob Handelswaren in Konkurrenz zu in der EU produzierten oder in von der EU bevorzugten Ländern stehen. Selbst bei weitgehender Gleichbehandlung zementierten andererseits unmittelbare und versteckte Subventionen (interne Beihilfen, Steuerbegünstigungen usw.) der EU für solche Produkte weiterhin bestehende Asymmetrien. Der Abbau von Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen kann dabei nur graduell zu Verbesserungen der Marktzugänge führen. Nach der Untersuchung von CIFCA würden letztlich nur wenige zentralamerikanische Produkte tatsächliche Handelsvorteile erlangen. In der Regel handelt es sich dabei um Agrar- und Fischereiprodukte mit relativ geringem Verarbeitungsgrad, die bereits jetzt unter das APS fallen, oder als „nicht sensibel”eingestuft sind. Das hieße, der Status Quo wäre dadurch nur gering berührt.

Auf längere Sicht jedoch gäbe es wenige Produkte, die neben Zucker und Bananen von einem wirtschaftlichen Assoziationsabkommen profitieren könnten, aber dies auch nur, wenn die gegenwärtigen Subventionspraktiken der EU geändert würden. Dazu könnten bspw. Produkte der Aquakultur (Garnelen, Shrimps) gehören, die jedoch umwelt- und sozialpolitisch ausgesprochen bedenklich sind, was z.T. auch für die Produktion von Bananen und Rohrzucker gilt (Pestizideinsatz und Kinderarbeit bei der Zuckerernte usw.).

Ausgehend von der Priorität der sozialen Kohärenz hätte ein wirtschaftliches Assoziationsabkommen Mechanismen zu beinhalten, die eine nachhaltige Entwicklung in Zentralamerika fördern. Dazu gehören Anreize und Sanktionsmechanismen für Umwelt- und Sozialstandards, Anti-Dumping-Regelungen und eine Kooperation, die sich daran orientiert, Asymmetrien abzubauen. Nach Einschätzung von CIFCA hat die EU bislang mit keinem lateinamerikanischen Land Abkommen geschlossen, die diese Elemente tatsächlich beinhalten. Demgegenüber wird in den Verhandlungen, wie auch in den bestehenden Abkommen ein wichtiger Schwerpunkt auf Investitionsschutz im Sinne der gegenseitigen Investitionsschutzabkommen gelegt.

 

Im EU-Strategiepapier zu Zentralamerika 2002-2006 wird explizit auf die Rolle der EU im San José-Dialog Bezug genommen, auf den aufbauend die Vertiefung des Integrationsprozesses forciert werden soll (EU Strategy Paper for Central America 2002-2006).

Das Problem der Kohärenz wird explizit unter Abschnitt 5.5. des Strategiepapiers 2002-2006 angesprochen: Dort werden unter dem Aspekt des Einsatzes unterschiedlicher Instrumente (als so genanntes Politik-Mix) die Politikfelder genannt, die für die Beziehungen der Europäischen Gemeinschaft zu Zentralamerika Bedeutung haben: Handel, APS, die Agrarpolitik der EU, Sanitäre und Phyitosanitäre Kontrolle (Food Safety Importbeschränkungen), Verbraucherschutz, interne Märkte, Marktpolitik, Forschung und Entwicklung, Umwelt, Konfliktprävention, Demokratisierung und Menschenrechte, Drogen und Informationsgesellschaft. Weiter heißt es zwar „In general, it can be assumed that the current strategy is coherent with Community policies”?. Obgleich… “Nevertheless, attention should be drawn to certain issues concerning the implementation of:

·         The Generalised System of Preferences (GSP) as an instrument of trade and in the fight against drugs for a fixed period,

·         The Common Agricultural Policy (CAP), and

·         Sanitary and phytosanitary control measures”? (ebd.).

 

Diese drei Bereiche sind jedoch vital für eine wirtschaftliche Integration; gleichzeitig sind sie von entscheidender Bedeutung für zentralamerikanische Exporteure. Es spricht einiges für die These, dass das Primat der (Frei-)Handels- und Wirtschaftspolitik inkohärent zu anderen Aspekten der Integration sein kann.

 

Die These von der CAFTA-Parität

Die Schaffung einer Freihandelszone zwischen der EU und Zentralamerika bis zum Jahr 2010 ist vor allem im Kontext der gescheiterten großen amerikanischen Freihandelszone zu sehen, deren Produkt CAFTA ist. Dazu wird eine Parität mit europäischen Nuancen angestrebt (bei Betonung von Dialog und Kooperation zur Lösung von Migration, Armutsbekämpfung usw.).

Nach der Studie der ‚Copenhagen Initiative for Central America and Mexico’ (CIFCA 2006) betrachten die zentralamerikanischen Regierungen - aber auch einige relevante Akteure in der EU - ein Assoziationsabkommen mit Zentralamerika als eine solche Parrallelvereinbarung zu CAFTA (Central American Free Trade Agreement). Dies beträfe vor allem die Exportstrategien, wie auch die Anziehung und Behandlung europäischer Investitionen.

Während CAFTA von den SICA-Regierungen als Meilenstein ihrer Außenwirtschaftspolitiken angesehen wird [Fussnote 1], löste das Abkommen bei sozialen Organisationen in Mittelamerika und in den USA Proteste aus [Fussnote 2]. Im Gegensatz zu den Zusatzabkommen bei NAFTA (entsprechend der Side Agreements on Social and Environmental Cooperation) werden bspw. Umwelt- und Sozialstandards der beteiligten Länder nur insofern thematisiert, dass diese in der allgemeinen Gesetzgebung berücksichtigt werden. Konkrete Verifizierungs- und Sanktionsmechanismen sind nicht vorgesehen. Demgegenüber stehen Investitionsschutz und die Reduktion der Zollsätze im Vordergrund. Bis 2015 müssen nach dem Abkommen die mittelamerikanischen Länder alle Importzölle für US-Produkte abgebaut haben.

Während die Verhandlungen der EU mit den Regionen CAN und SICA nominell multilateral gestaltet sind, wurden gleichzeitig bilaterale Abkommen geschlossen (EU-Mexiko und EU-Chile), mit denen dezidiert und explizit die Parität mit entsprechenden Abkommen mit den USA beabsichtigt ist. Inhalt der Parität ist dabei mindestens die Gleichbehandlung europäischer Unternehmen/ Investitionen gegenüber der US-amerikanischen Konkurrenz. Abkommen mit regionalen Integrationsverbünden wie SICA und CAN stehen überdies im Kontext der ‚Agreements on Economic Cooperation’ mit den Ex-Kolonien der EU-Staaten, in denen die so genannten ‚Singapurthemen’ durch die EU-Kommission weitgehend durchgesetzt werden. Die o.a. CIFCA-Studie geht davon aus, dass ein mit den SICA-Staaten vereinbartes Freihandelsabkommen mit weitgehender Durchsetzung der Singapurthemen im Sinne der EU ein eng an die WTO angelehntes Regelwerk zur Folge haben werde.

Dies beträfe insbesondere die Regelungen zu geistigem Eigentum, Handel mit Dienstleistungen und Landwirtschaft. Diese drei Bereiche unterminierten durch zu erwartende Negativauswirkungen auf kleinbäuerliche Landwirtschaft, Beschäftigung, Sozial- und Umweltstandards und Menschenrechte alle Ziele, die sich auf soziale Kohäsion beziehen.

Denn die EU knüpft ein Assoziationsabkommen mit Zentralamerika an spezifische Bedingungen:

 

1. Erfüllung der Kriterien der WTO hinsichtlich der Liberalisierung von Gütern und Dienstleistungen und Unterstützung der Verhandlungspartner in der Doha-Runde der WTO hinsichtlich der Agrarthematik, insbesondere zur Bananenmarktordnung, die z.T. auch Zentralamerika betrifft.

 

2. Fortschritte bei der Vertiefung der regionalen Integration; einen institutionellen Rahmen, mit dem Zentralamerika als gemeinsamer Block verhandeln kann; eine Zollunion und der Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse im intraregionalen Handel.

 

Entsprechende Forderungen der EU wurden bereits auf dem Gipfel in Guadalajara im Mai 2004 formuliert und nach dem WTO-Gipfel von Hongkong im Dezember 2005 wiederholt. Das explizite Interesse der EU besteht dabei in der Schaffung größerer und weniger fragmentierter Märkte durch eine Zollunion.

Bis 2006 waren 353 Warengruppen/ Rubriken noch nicht Gegenstand angeglichener Zollsätze, davon waren allein 118 Agrarprodukte. Nach Einschätzung von CIFCA werden 94% harmonisiert und 6% umstritten bleiben.

 

Die regionale Integration machte indessen beschränkt auf die politische Ebene mäßige Fortschritte (siehe auch Entwurf für eine EU-Strategiepapier 2007-2013); gleichzeitig erodiert sie jedoch partiell, weil es Bestrebungen in allen zentralamerikanischen Ländern gibt, zunehmend Bereiche der Güter und Dienstleistungen aus den Verhandlungen herauszunehmen. Andere Probleme bestehen durch alte Territorialkonflikte (Golf von Fonseca, Grenzgebiet Honduras-El Salvador usw.) zwischen Nicaragua und El Salvador oder El Salvador und Honduras usw., sowie durch Fragen der Migration (Costa Rica-Nicaragua). Einige dieser Probleme sind nicht kurzfristig lösbar. Mit der Unterzeichnung von CAFTA verkompliziert sich überdies die regionale Integration, statt dass diese voranschreitet, wie von der EU angenommen. So weist die CIFCA-Studie u.E. richtig darauf hin, dass die USA mit CAFTA vor allem eine „Triangulation”erreicht hat, und zwar dadurch, dass Zentralamerika keinen gemeinsamen externen Mindestzollsatz hat. Aufgrund dessen kaufen US-amerikanische Unternehmen Rohstoffe und Produkte in bestimmten Ländern ein, die die jeweils niedrigsten Mindestzollsätze haben (sofern diese für die Gestehungskosten relevant sind!) und können diese Waren unverarbeitet auf die Märkte anderer zentralamerikanischer Länder nach den CAFTA-Regeln wieder reexportieren.

D.h. umgekehrt, dass eine Zollunion eine wichtige Voraussetzung wäre, um eine Desintegration zu verhindern. Der Prozess dahin ist jedoch so kompliziert, dass CAFTA aufgrund dessen ohne eine vollständige Zollunion abgeschlossen wurde. Im Endergebnis verhindert eine solche ‚horizontale Integration’ eher eine regionale Integration, als dass umgekehrt eine vollständige regionale Integration mit einheitlichen Zollsätzen als Voraussetzung gebraucht würde. Unabhängig davon, inwieweit dieses Szenario Praxisrelevanz hat, bliebe die Frage offen, ob die EU trotz gegenläufiger Verlautbarungen einen ähnlichen ‚pragmatischen’ Weg gehen würde, d.h., den Anspruch einer Zollunion fallen ließe; jedoch alle anderen zum neoliberalen Repertoire des Singapurdiskurses (der WTO) gehörende Forderungen beibehielte. Denn: „Eine Befürchtung ist, dass die EU dabei in die Fußtapfen der USA tritt und versucht, die Vorteile der Triangulation der Produkte durch Zentralamerika auszunutzen mittels der Forderung eines ‚Vertrags der meistbegünstigten Nationen’ wie auch mittels der CAFTA-Parität”? (ebd.). Dies hieße u.E. die Priorität der regionalen Integration umzudefinieren und damit auch zu unterminieren.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die EU mit den bisher vorgeschlagenen Regelungen den zentralamerikanischen Ländern zwar größere Vergünstigungen als anderen Handelspartnern einräumt, jedoch geringere als bspw. den ACP-Staaten, Südafrika und Israel.

Gleichzeitig vertieft sich seit den 90er Jahren ein Prozess der unilateralen Öffnung, die sich durch die Durchsetzung zunehmend komplexerer nicht-tarifärer Handelshemmnisse, wie z.B. Food Safety und Nachverfolgbarkeitsregister sich verkomplizieren. Alle diese Faktoren verweisen darauf, dass im Endergebnis im Agrarbereich keine grundsätzlichen Änderungen der Handelsbeziehungen zu erwarten sind und sich nur graduell von denen der USA unterscheiden.

Im Bereich der Direktinvestitionen wird ein Assoziationsabkommen über den Weg des Investitionsschutzes und des freien Kapitalverkehrs dem Eindringen europäischer Direktinvestitionen in bestimmte Sektoren keinen neuen Impuls verschaffen, sondern diese lediglich konsolidieren. Dazu ist zu ergänzen, dass dieser Prozess durch nationale Investitionsgesetze, Meistbegünstigungsklauseln und Reziprozitätsabkommen (APPRIs) durch die einzelnen zentralamerikanischen Länder etwa zu dem Zeitpunkt uni-/ bilateral in Kraft gesetzt wurde, als die Privatisierung der Staatskonzerne begann. Historisch fällt dieser Prozess mit der „erfolgreichen”politischen Transition zusammen, die seit 1984 von der EU aktiv begleitet wurde. Das was eine Assoziationsabkommen mit der EU wesentlich von den abgeschlossen APPRIs unterscheiden könnte, ist vor allem die Verallgemeinerung des Investitionsschutzes auf alle 25 Mitglieder der EU durch ein einheitliches Kapitel über Investitionen oder durch eine Klausel, die die Verbreitung der APPRIs in beiden Regionen festlegt.

Zu Direktinvestitionen, die bisher durch APPRIs geschützt wurden, gehören Telekommunikation, Energie- und Wasserversorgung, sowie Banken- und Versicherungswesen. Im Zuge der i.d.R. abgeschlossenen Privatisierung und forcierten Anpassung an internationale Konkurrenzbedingungen und an Konzernstrukturen in Europa ist dabei eher der weitere Abbau von formalen Erwerbsarbeitsplätzen anzunehmen, als der Aufbau regionaler Cluster mit entsprechenden Spin-Off Effekten (lokale Zulieferstrukturen) industrieller Direktinvestitionen.

Diese These der Konsolidierung untermauert die Aussage des Verhandlungsbeauftragten in Costa Rica, Tomás Abadía Vicente, der, befragt über die Vorteile eines Abkommens mit der EU, folgende Aspekte hervorhebt: “Die Konsolidierung eines erweiterten Marktes, Handel mit klaren Regeln und Vorteile bei der Teilnahme an großen Infrastrukturmaßnahmen, Regierungskäufe und bei Dienstleistungen”(Zitat nach CIFCA 2006). Das ist unserer Auffassung nach der Kern der Sache.

Ein exemplarisches Beispiel für diesen Zusammenhang ist das Energieunternehmen UNION FENOSA in Zentralamerika, das Ergebnis der in Nicaragua, Panama, Guatemala und El Salvador mit spanischem Kapital betriebenen Privatisierung der ursprünglichen Staatsunternehmen ist. UNION FENOSA ist Hauptaktionär der größten Stromversorger in Nicaragua, Guatemala und Panama. In diesen Ländern wurden tausende von Beschwerden über irreguläre Geschäftspraktiken, In-Transparenz, überhöhte Tarife und erhebliche Verschlechterung der Versorgung (vor allem der zahlungsschwachen Bevölkerung) geführt. Bspw. wurden in Nicaragua bereits 2005 Sanktionen verhängt, die mit dem Regierungswechsel vom November 2006 zunehmend evidenter werden.

Auf Seite der politischen Akteure in Zentralamerika besteht unabhängig von solchen Mitnahmeeffekten für transnationale Unternehmen ein ausgeprägtes Interesse an europäischen Direktinvestitionen, was neben der Hoffnung auf bessere Marktzugänge für Agrarprodukte der Hauptmotiv für den Abschluss eines wirtschaftlichen Assoziationsabkommens mit der EU ist.

Umgekehrt spielt die EU mit diesen Interessen und Illusionen und verfolgt damit eine pragmatische Strategie zur Durchsetzung der postulierten erweiterten WTO-Regeln im Sinne der Singapurthemen. Dabei kann an unterschiedliche Abkommen in der Region angeknüpft werden, inhaltlich vor allem jedoch an die APPRIs. Das Modell CAFTA kommt diesem Ansatz am nächsten. Es ist dabei gegenwärtig nicht zu erkennen, welche Akteure dazu ein grundlegendes anderes Projekt formulieren. Das Thema der sozialen Kohäsion wird nach Einschätzung von CIFCA im Gegensatz zur bisherigen Thematik der „Entwicklung”insbesondere als „Armutsbekämpfung”deklariert. Dies bedeute eine grundlegende Abweichung des Anspruchs nach Strukturveränderung und Beseitigung von Asymmetrien durch Reparaturmaßnahmen (Armutsbekämpfung) der liberalen Marktöffnung.

 

 

3.2 EU-CAN

 

Im Juli 2006 wurde auf dem Treffen der Verhandlungsführer von EU und CAN in Brüssel die beschleunigte Unterzeichnung des ‚Abkommens über Politischen Dialog und Kooperation’ von 2003 beschlossen, das auch handelspolitische Aspekte beinhalten soll. Die EU-Kommission und die Regierungen der CAN kamen überein, die für ein Assoziationsabkommen notwendigen Verhandlungen im Januar 2007 aufzunehmen und ein Abkommen bis Mai 2008 abzuschließen. Im September 2006 erteilte der EU-Ministerrat der Kommission ein formales Verhandlungsmandat mit den Ländern der Andengemeinschaft. Die EU stellte in Aussicht, mit der CAN ein Abkommen anzustreben, das sich von den klassischen Freihandelsabkommen unterscheide, bzw. die Asymmetrien stärker berücksichtige. Allerdings gilt u.E. hier ähnlich wie für den Fall Zentralamerika, dass damit eine Parität zu den USA mit europäischen Nuancen gemeint ist (Betonung von Kooperation und Dialog gegenüber den handelspolitischen Prioritäten). Die Ausgestaltung eines Abkommens im Sinne endogenerer Entwicklung hinge dann von politischem Geschick der vier verhandelnden CAN-Staaten (Ecuador, Peru, Bolivien und Kolumbien) ab, um deren Einheit- bzw. um deren einheitliche politische Stimme es gegenwärtig nicht gut bestellt ist.

Die Andengemeinschaft CAN wurde am 26. Mai 1969 Cartagena von Peru, Ecuador, Bolivien, Kolumbien und Chile gegründet. Venezuela trat 1973 der Gruppe bei, Chile schied 1977 aus.

Die handelspolitische regionale Integration gewann erst mit der gegenseitigen Marktöffnung und Zollsenkung Anfang der 90er Jahre tatsächlich an Bedeutung. Die Angleichung der Zollsätze stagnierte jedoch in der Folgezeit und die ökonomischen Ergebnisse der Integration blieben bescheiden. So liegt der Anteil Intra-CAN-Handels gerade einmal bei etwa 10% des gesamten Handels der betreffenden Länder.

In den Handelsbeziehungen der Andenländer dominiert eindeutig die Orientierung auf die USA, deren Zollregelungen mit dem Andean Promotion Trade Act 1996 auf eine gemeinsame neue Grundlage gestellt wurden. Der APT, wie auch der 2001/ 2002 erneuerte APT-DEA (Andean Promotion Trade Trade and Drug Erradication Act) können dabei nur bedingt als integratives Assoziationsabkommen verstanden werden. Beim APT-DEA handelt es sich im Kern um Zollpräferenz- und Einfuhrregelungen, die im Einklang mit den US-APS stehen und die an Maßnahmen zur Drogenbekämpfung gekoppelt sind. Die Verlängerung des APT-DEA über den 31.1.2006 hinaus bleibt insbesondere für Exporte aus Ecuador und Bolivien evident. Peru und Kolumbien erwarteten demgegenüber den Abschluss der bilateralen Freihandelsabkommen mit den USA, während Ecuador und Bolivien diese ablehnen.

Der wesentliche Unterschied zwischen APT-DEA und CAFTA besteht einerseits in der größeren institutionellen Integration der Andenländer (nach Einschätzung der EU Regionale Programmierungsstrategie 2002-2006), andererseits sind die Andenländer politisch und sozial weniger homogen und der institutionelle Prozess bröckelt. Beispielsweise liegt das durchschnittliche Pro-Kopf-BIP in Bolivien bei 1000 $ und bei 3500 $ in Venezuela.

Politisch erodiert die Gemeinschaft der Andennationen aufgrund der parallel laufenden bilateralen Vereinbarungen zwischen den USA und Peru und den USA und Kolumbien (unterzeichnet 11/ 2006). Die faktische Aufgabe einer gemeinschaftlichen Verhandlungsposition gegenüber den USA führte im April 2006 zur Austrittserklärung Venezuelas aus der CAN und u.a. zur Unterzeichnung des Handels- und Kooperationsabkommens durch Bolivien, Venezuela und Cuba im April 2006.

Außerdem wurde Venezuela im Dezember 2005 als Vollmitglied in den MERCOSUR aufgenommen. Auch wenn Venezuela für eine Übergangsphase bis 2014 zunächst nur den Status eines assoziierten Mitgliedes des MERCOSUR hat, beginnt es, eine zentrale politische Rolle in der Wirtschaftsgemeinschaft zu spielen. Peru, Ecuador und Kolumbien sind demgegenüber assoziierte Mitglieder mit abnehmender Bedeutung [Fussnote 3]. Bolivien hingegen wurde bereits 1997 als assoziiertes Mitglied aufgenommen und steht vor einer Aufnahme als Vollmitglied in 2007. Mit der Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens zwischen Peru und den USA, sowie aufgrund der starken Bindung Kolumbiens an die USA erschien die Andengemeinschaft CAN zu Beginn des Jahres 2006 faktisch obsolet. Letzteres diente der venezolanischen Regierung als Begründung für ihren Austritt aus der Andengemeinschaft.

Der Mercosur könnte für Bolivien wie auch für Venezuela eine Alternative zur regionalen Integration in der CAN sein. Im November 2006 wurde der Vorschlag in die öffentliche Debatte eingebracht, auch Bolivien als Vollmitglied in den Mercosur aufzunehmen. Der brasilianische Kanzler Celso Amorím erklärte es als Ziel der neuen brasilianischen Regierung, Bolivien als Vollmitglied in den Mercosur aufzunehmen. Im Dezember 2006 wurde dieses Thema auf dem Mercosur-Gipfel behandelt, zu der bolivianische Präsident Evo Morales explizit eingeladen war. Grundlage für die Option der Aufnahme Boliviens war die Unterzeichnung neuer Verträge zwischen dem brasilianischen Ölkonzern Petrobras und der bolivianischen Regierung. Die Umsetzung des Nationalisierungsplans der Erdgas- und Ölvorkommen in Bolivien galt bis dahin als Hindernisgrund, weil mit der Vertragsregelung der Regierung Morales (Verstaatlichung von Anteilen von Petrobras und Neufestsetzung der Preise) vitale brasilianische Interessen betroffen wären. Ausschlaggebend für die brasilianische Initiative ist ein gemeinsames Projekt einer Gasleitung zwischen Bolivien und Brasilien, die aufgrund des von Bolivien geforderten höheren Gaspreises jedoch 2007 noch verhandelt wird. Unabhängig davon könnte das Gelingen dieses Planes ein Faktor für die Desintegration der CAN und die Relativierung eines Assoziationsabkommens CAN-EU sein. Ob dem so sein wird, ist Anfang 2007 noch völlig offen.

Die Ausrichtung der EU-Außenwirtschaftspolitik wird in jedem Fall an einer besonderen Berücksichtigung Venezuelas nicht herumkommen, gleichzeitig zeigt die Erklärung des EU-Lateinamerika-Gipfels von Wien (Mai 2006), dass Venezuela nicht aus dem Spiel ist, wenn es um eine intensivere regionale Handelsverflechtung geht.

Das befürchtete faktische Ende der Andengemeinschaft wird vor allem durch die große Abhängigkeit Boliviens von Peru, Kolumbien und Ecuador gebremst. Rund ein Viertel der Exporte Boliviens gehen in die CAN-Region und nicht in den Mercosur. Dieses Gewicht wird sich allerdings durch die Gaslieferungen leicht in Richtung Mercosur verschieben.

Auf bilateraler Ebene bestehen Handelsvereinbarungen einzelner CAN-Länder mit der EU bereits seit 30 Jahren. Die gegenwärtige Kooperation fußt im Wesentlichen auf dem 1993 unterzeichneten Kooperationsrahmenabkommen (s.o.). Die Vereinbarungen zwischen CAN und der Europäischen Union zur Forcierung der Aufnahme von Freihandelsverhandlungen (vor allem bekräftigt auf dem Gipfel von Guadalajara 2004) lassen die mit dem Austritt Venezuelas als gescheitert geltende CAN in dem Sinne reanimieren, dass Venezuela offensichtlich die Ergebnisse des Verhandlungsprozesses mit der EU abwartet, und Bolivien die Verhandlungen mit der EU durch eigene Vorschläge aktiv gestaltet.

Trotz der handelspolitischen Dominanz der USA in der Andenregion hat die EU zweifellos eine steigende Bedeutung. So stieg das Handelsvolumen der EU mit der Gemeinschaft der Anden-Nationen in den vergangenen zwei Jahrzehnten von 9 Milliarden € im Jahr 1980 auf 15 Milliarden € im Jahr 2004, was eine Steigerung um 73% bedeutet. Exporte aus Europa in die CAN-Märkte wuchsen ebenso wie die CAN-Exporte in die EU. Im Jahr 2004 exportierte die EU in die Andengemeinschaft einen Warenumfang von 6 Milliarden € und importierte aus den CAN-Ländern Waren im Wert von 8,8 Milliarden €. Mit einem Anteil von 12,8% der Exporte der CAN-Länder in die EU und 17,4% seiner Importe ist sie nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner. Die Bedeutung der Andenregion für die EU ist mit 0,7% Anteil etwas höher als die der SICA-Länder (0,3% Anteil des globalen EU-Handels). Mit Ausnahme des venezolanischen Gas- und Erdöls importiert die EU aus den Andenländern hauptsächlich Waren mit geringem Verarbeitungsgrad aus Landwirtschaft, Agroindustrie und Bergbau.

Die Importe der Andenländer werden bisher im Wesentlichen durch die Regelungen des EU-APS/ APS+ erfasst. Dazu gehören auch besondere Anreize für Länder, die Drogenbekämpfungsmaßnahmen durchführen. Darin können auch für die EU als sensibel geltende Produkte mit höherem Verarbeitungsgrad und sensible Agrarprodukte unter bestimmten Voraussetzungen zollfrei nach Europa exportiert werden. Aufgrund dieser Präferenzen und der Meistbegünstigungsklausel sind ca. 80 % der Exporte der Andenländer in die EU von Zöllen befreit (vgl. EU Regionale Programmierungsstrategie 2002-2006).

Im Bereich der Direktinvestitionen repräsentieren Unternehmen aus der EU fast ein Viertel aller Investitionen in den CAN-Ländern. Hierbei gilt Ähnliches wie in den SICA-Ländern: Europäische Investitionen konzentrieren sich neben extraktiven Industrien (Bergbau, Gas- und Erdöl) auf von Privatisierung betroffene Sektoren wie Telekommunikation, Banken- und Versicherungen, sowie öffentliche Dienstleistungen wie Energie- und Wasserversorgung.

In der Regionalen Programmierungsstrategie 2002-2006 der EU für die Andenländer werden vor allem zwei Prioritäten für ein Assoziationsabkommen formuliert: 1. Regionale Integration: Unterstützung des Prozesses der Anden-Integration über ihre verschiedenen Akteure zwecks Errichtung des Binnenmarktes, und 2. Sicherheit: Schaffung einer andinen Zone des Friedens durch die Beseitigung der verschiedenen potenziellen Konfliktursachen, insbesondere durch eine effiziente Drogenbekämpfung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen. Fortschritte in dieser Hinsicht werden als wesentliche Voraussetzungen für ein wirtschaftliches Assoziationsabkommen mit der EU angesehen. Bei der Vertiefung der regionalen Entwicklung müsse man sich auf die institutionelle Stärkung und Einbindung aller gesellschaftlichen Akteure; auf die Harmonisierung und Rechtssicherheit, sowie auf die Stärkung des Profils der CAN durch gemeinsame Standpunkte konzentrieren.

 

Konfliktpotenziale und Barrieren für den forcierten Verhandlungsprozess über ein Assoziationsabkommen

 

Während die Regierungen der Andenländer das Thema des Investitionsschutzes öffentlich nicht in Frage stellen, bestehen eine Reihe von Konfliktpunkten, die die Verhandlungen über ein wirtschaftliches Assoziationsabkommen mit der EU beeinträchtigen:

 

1. Die politische Polarisierung in Ecuador, Kolumbien, Peru, Bolivien und Venezuela hat sich in den letzten fünf Jahren verschärft, ebenso wie die Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen CAN-Staaten in Bezug auf bilaterale Abkommen mit den USA, hinsichtlich des Projektes einer großen Freihandelszone in Amerika (ALCA/ FTTA), wie auch hinsichtlich möglicher Alternativen, die durch Bolivien (TCP) und Venezuela (ALBA) eingebracht wurden, sowie durch den Beitritt Venezuelas als Vollmitglied des Mercosur (2005) und Boliviens Aufnahme als Vollmitglied des Mercosur ab 2007.

 

2. Ähnlich wie im Fall der SICA-Länder wird von der EU insbesondere der Bananenhandel als Problembereich betrachtet, „wo die Interessen einiger Andenländer seit langem mit den Verpflichtungen, die die Gemeinschaft gegenüber den AKP-Staaten eingegangen ist, kollidieren”, um im gleichem Atemzug zu hinterfragen, „…ob die Andenländer gut beraten waren, diesen Sektor derart auszubauen, dass in manchen Regionen eine Monokultur daraus wurde, obwohl sie von den Schwierigkeiten wussten, mit denen solche Erzeugnisse auf einem Markt von der Größe des Gemeinsamen Marktes konfrontiert sein würden”(vgl. ebd.).

 

3. Im Bereich der Fischereipolitik werden zwar keine unmittelbaren Konflikte gesehen, gleichzeitig bezeichnete die EU-Kommission jedoch ein Fischereiabkommen zwischen Chile und den Andenländer als völkerrechtswidrig und als Bedrohung für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Bestände. Solche Abkommen erforderten eine größere „Multilateralität”.

 

4. Als mögliche Barriere wird die Setzung von Importnormen der EU im Bereich der Food Safety gesehen. Diese EU-Standards entsprechen in erster Linie Verbraucherschutzgesetzen in der EU. Diese Normen werden zunehmend zwar auch zur gesetzlichen Grundlage in allen lateinamerikanischen Ländern (Normensetzung der nationalen Institute, nationale Gesundheitsgesetzgebung etc.) und zu Standards der formellen Ökonomie. D.h., sie wirken auf dem Binnenmarkt oder auf den regionalen Märkten als Filter, wo staatliche Aufsicht und Regulierung greift. Das ist in der Regel in Supermarktketten o.ä. der Fall. Für den Außenhandel sind die Importnormen der EU de facto nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Gleichzeitig werden solche Normen von der EU als durchsetzbar angesehen, ganz im Gegensatz etwa zu Umwelt- und Sozialstandards, die keine unmittelbare Überprüfung oder Zertifizierung erfahren müssen.

 

Auf einem gemeinsamen Meeting vom Juli 2006 anerkannte die EU gewisse Fortschritte der Andenländer im Bereich der Festlegung gemeinsamer Zölle für aus der EU stammende Produkte, im Bereich der Liberalisierung von Dienstleistungen, des grenzüberschreitenden Handels und der Förderung des intraregionalen Handels: „These initiatives will contribute to deepening regional integration in the Andean Community as well as allow the future Association Agreement between both regions to be mutually beneficial”(Minutes EU Commisison Joint High Llevel meeting. Brüssel Juli 2006).

Tatsächlich sind im Sinne der EU Prioritäten einige Fortschritte der intraregionalen Integration sichtbar:

Ø       Schaffung einer Freihandelszone zwischen Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Venezuela von 1993 (Peru schloss sich 1997 an);

Ø       Einführung eines gemeinsamen Zollsystems seit Februar 2005 mit einem Durchschnittszoll von 13,6% und einem Höchstzollsatz von 20%;

Ø       Die signifikante Steigerung von verarbeiteten Produkten innerhalb der Andenländer im Gegensatz zum globalen Außenhandel bei dem weiterhin Rohstoffe dominieren;

Ø       Verbesserung des Investitionsklimas durch einheitliche Regelungen und Rechtsinstitutionen;

Ø       Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen seit 1998 (vgl. Cuenca García 2001).

 

Die von der EU gesetzten Prioritäten wie Investitionsschutz, bzw. die weitgehende Durchsetzung ihrer Interessen bei den sensiblen Themen der WTO-Runde (Singapurthemen) werden dabei nicht explizit genannt, bleiben jedoch genauso wie im Fall der SICA-Länder vornehmliches strategisches Ziel der EU.

Die EU setzt ähnlich wie bei CAFTA auf eine Parität zu Vereinbarungen der Andenländer mit den USA, wobei Zollregelungen und das Zoll-, Sicherheits- und Antidrogenpaket bei APT-DEA ein Teilelement darstellte. Wenn auch für die EU eine Chance besteht, dabei multilateral einen größeren Integrationsgrad zu erlangen und ihre Prioritäten multilateral zu verankern, kann die USA gegenwärtig größere Spielräume durch bilaterale Abkommen erreichen (USA-Peru, USA-Kolumbien usw.).

 

Bolivien brachte auf dem CAN-Präsidentengipfel vom Juni 2006 einen Kriterienkatalog für ein Assoziationsabkommen mit der EU ein, der sich an der Konzeption des Handelsvertrages zwischen Kuba, Venezuela und Bolivien anlehnt (TCP, Tratado de Comercio de los Pueblos) und implizit eine Kritik an der Haltung der Regierungen Perus und Kolumbiens zu bilateralen Verhandlungen mit den USA formuliert (Propuesta de Bolivia: Bases para un Acuerdo de Asociación CAN-UE en beneficio de los pueblos. Quito, 13. Juni 2006). Dies gilt hinsichtlich der Stärkung endogener Entwicklung, wie auch hinsichtlich des Schutzes und der Stärkung nationaler Industrien, öffentlicher Institutionen und Güter, indigener Gemeinschaften und kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Dabei geht es um das Primat der Sektoren, die nicht weltmarktfähige Exportproduktion betreiben können, aber für Versorgung und Subsistenz großer Teile der Bevölkerung von maßgeblicher Bedeutung sind.

Das angestrebte Assoziationsabkommen mit der EU beinhaltet die Komponenten des ‚Politischen Dialogs und der Kooperation’, die sich auf spezifische Problemfragen der Region konzentrieren. Bolivien stellt insbesondere die strukturellen Gründe in den Vordergrund, die diese Probleme hervorrufen wie Migration, Armut, soziale Exklusion, Umweltzerstörung, um sich explizit vom neoliberalen Washingtonkonsens abzugrenzen. In der Erklärung der bolivianischen Regierung werden alle möglichen Konfliktthemen zwischen CAN und der EU aufgegriffen, sie stehen den wirtschaftspolitischen Interessen, die die EU mit einem Assoziationsabkommen verfolgt, entgegen, rekurrieren jedoch auf das Kernthema der soziale Kohärenz.

Im Folgenden werden die 17 Kriterien der bolivianischen Regierung zusammengefasst:

 

1) Ein Abkommen müsse in erster Linie komplementär auf verschiedenen Ebenen zwischen der CAN und der EU sein, um gemeinsame Lösungen für die Probleme wie Migration, Drogenhandel, Umweltschutz und für die Strukturprobleme, die für Armut und Arbeitslosigkeit verantwortlich sind, zu finden. Sie müsse ferner die Identitäten der Andenstaaten stärken, wie auch die Erweiterung und Erneuerung des Staatswesen und die Entwicklung authentischer partizipativer und integrativer Demokratien für alle Sektoren fördern, insbesondere für die seit 500 Jahren ausgeschlossenen indigenen Völker.

2) Die Völker, der Mensch und die Natur müssten die Hauptbegünstigten des Assoziationsabkommens sein. Es sei jene Praxis zu überwinden, nach der die Interessen transnationaler Unternehmen über die Bedürfnissen der Völker und der Umwelt gestellt werden. Die Zivilgesellschaft und die sozialen Organisationen müssten aktiv am Bau dieses Assoziationsabkommens teilhaben, damit eine wirkliche Integration gelinge.

3) Der politische Dialog müsse ausgeglichen und gegenseitig sein und anerkennen, dass beide Seiten partizipativ und gemeinschaftlich viel voneinander lernen müssen bei Themen wie der formalen Demokratie. Ein Erfahrungsaustausch über Autonomie, Dezentralisierung, Kampf gegen die Korruption, Transparenz, konzertierte Konfliktlösung, Kultur des Friedens und Integration mit Souveränität sei fundamental.

4) Der Kampf gegen den Drogenhandel sei vital für CAN und für die EU. Beide Parteien müssten größte Anstrengungen unternehmen, um den Drogenhandel auf seinen verschiedenen Stufen zu bekämpfen.

5) Der traditionelle Gebrauch der Kokapflanze dürfe jedoch nicht mit dem Kokainhandel verwechselt werden. In seiner natürlichen Form sei die Kokapflanze für niemanden schädlich und könne für humanitäre Zwecke genutzt werden. Sie müsse daher entkriminalisiert und als Teil der andinen indigenen Völker anerkannt werden. Die bolivianische Regierung implementiere eine Politik der abgestimmten Kontrolle und Begrenzung der Produktion der Kokapflanze mit Produzenten und Bauernorganisationen, damit diese nicht für die Kokainproduktion zweckentfremdet werden kann.

6) Die Kooperation der EU mit der CAN dürfe nicht konditioniert sein und sich nicht gegen die Souveränität der Andenstaaten richten. Sie müsse die strukturellen Gründe der Abhängigkeit und des Kolonialismus überwinden. Innerhalb dieser Kooperation müssten die Weiterentwicklung der Wirtschaft, der Förderung der eigenen natürlichen Ressourcen, die Entwicklung der für die Integration notwendigen Infrastruktur und die Fortentwicklung und der allgemeine Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen ohne Bedingungen prioritär sein.

7) Es seien finanzielle Mechanismen für Entwicklung zu etablieren, die die negativen Erfahrungen der Auslandsverschuldung und die Konditionierung der Entwicklungszusammenarbeit überwinden. Es müsse ein grundlegender Wechsel der multilateralen Zusammenarbeit stattfinden (Weltbank, IWF, BID usw.), damit wirklich eine Zusammenarbeit entstehe, die den Bedürfnissen der beteiligten Staaten nütze.

8) Migration sei ein Problem, das die EU wie auch die CAN beträfet. Nur eine gemeinsame strategische Allianz könne zur Lösung der strukturellen Probleme von Arbeitslosigkeit und Armut beitragen, die die Migration von Hunderttausenden andiner Bürger verursache. Es sei fundamental, dass die Zusammenarbeit und der Handel mit der EU dazu beitrage, diese strukturellen Probleme zu lösen und nachhaltige Einkommensmöglichkeiten zu schaffen.

9) Eine strategische Allianz zur Verteidigung von Natur und Umwelt und zur Vermeidung der Verseuchung durch bestimmte Industrien sei notwendig. Gemeinsam müsse vermieden werden, dass Unternehmen von einer Region zur nächsten wandern und sich die jeweils niedrigsten Umweltstandards zunutze machten. Alle müssten von den indigenen Völkern lernen, um in Harmonie mit der Natur zu leben.

10) Die Handelsregeln des Assoziationsabkommens könnten nicht für beide Seiten gleich sein, so lange eine Ungleichheit durch Subventionen fortbesteht. Das Bruttosozialprodukt der EU sei 50-mal größer als das der CAN. Im Verhältnis zu Ecuador oder Bolivien sei es sogar 300 bis 1.000-mal größer. Damit ein faires und auf Gleichheit beruhendes Abkommen entstehe, müssten die Vergünstigungen für die CAN größer sein, als für die EU. Es könne nicht darum gehen, die Meistbegünstigungsklausel zu erneuern, sondern eben ungleiche Normen festzusetzen, die eine ausgeglichene Integration ermöglichten.

11) Bezüglich des Marktzugangs sei es grundlegend wichtig, dass die EU einen Zollsatz Null für alle Güter aus der CAN festlege, insbesondere für Waren mit einem höheren Verarbeitungsgrad. Um Kleinproduzenten, Kleinstunternehmen, Genossenschaften, Wirtschafts- und Bauernverbände zu unterstützen, gehe es nicht nur um einen Zollsatz Null, sondern auch um die Schaffung von Zweitmärkten für ihre Produkte durch die Festsetzung von Präferenzen für Beschaffung der Europäischen Union und über andere Mechanismen. Der Marktzugang müsse real sein und nicht-tarifäre Handelshemmnisse wie technische und phytosanitäre Beschränkungen überwinden, die nicht der Realität von Kleinproduzenten für einen fairen Handel angepasst seien.

12) Die Landwirtschaft könne nicht wie irgendeine andere wirtschaftliche Aktivität behandelt werden, weil von ihr die Ernährung von Millionen von Menschen abhänge, das Überleben und die Kultur von Tausenden indigenen Völkern in der Andenregion. Die Staaten hätten das Recht und die Pflicht die Ernährungssouveränität und -sicherheit ihrer Bevölkerung über den Interessen des Agrobusiness zu stellen. Die Förderung einer ökologischen Landwirtschaft wie auch der Schutz der Märkte für andine Produkte müsse prioritär sein, um einen harmonische Entwicklung mit der Natur zu erreichen.

13) Es sei das Recht insbesondere der kleineren Ökonomien, ihre Binnenmärkte zu schützen und Anreize für ihre nationalen Produzenten zu schaffen, z.B. durch das staatliche Beschaffungswesen. Staatliches Eingreifen auf allen Ebenen sei fundamental für die Reaktivierung der produktiven Bereiche in den kleineren und weniger konkurrenzfähigen Wirtschaften.

14) Es sei notwendig, ausländische Investition in der andinen Region zu fördern, die durch Technologietransfer, Verwendung von Rohstoffen und Vormaterial aus der Region, durch Beschäftigung nationaler Arbeitskräfte und durch den Respekt der Umwelt- und Arbeitsgesetzgebung in jedem Sektor zur Entwicklung beitrügen. Die Garantien und der Schutz der Staaten müsse auf die Investoren ausgeweitet werden, die wirklich im Land investieren. Jeder Streit zwischen einem ausländischen Investor und einem Staat solle im Rahmen der nationalen Gesetzgebung gelöst werden und nicht vor internationalen Schiedsgerichten, die bereits eine Reihe von Schäden in den Andenländern verursacht hätten. Alle ausländischen Investoren sollten ihre Investition mit einem angemessenen Gewinn zurückerhalten können. Sie könnten jedoch keine Entschädigungen für künftige oder exorbitante Gewinne einfordern. Ein Assoziationsabkommen müsse die souveräne Entscheidung der Andenländer über ihre natürlichen Ressourcen, sowie die Ausübung der Überwachung und Kontrolle stärken.

15) Im Zusammenhang mit dem Schutz des geistigen Eigentums sei es fundamental, dass der Zugang zu generischen Medikamenten gewährleistet werde und Pflichtlizenzen für patentierte Medikamente erweitert werden würden und sich dabei am Bedarf der öffentlichen Gesundheit orientierten. Die Patentierung von Pflanzen, Saatgut, Tieren, Mikroorganismen und aller lebender Materie müsse verboten sein. Das traditionelle Wissen der indigenen Völker müsse anerkannt und geschützt werden und über das Konzept der Patente und des geistigen Eigentums sei eine breite Debatte zu initiieren, um die Privatisierung des Wissens zu verhindern.

16) Auf Ebene der Dienstleistungen müsse das Assoziationsabkommen die regulierende und steuernde Kraft des Staates stärken, um die Einhaltung der Milleniums-Entwicklungsziele zu garantieren. Das hieße, die öffentlichen Dienstleistungen zu stärken und nicht ihre weitere Liberalisierung zu betreiben. Das Assoziationsabkommen müsse die Stärkung und Verallgemeinerung der grundlegenden öffentlichen Basisdienstleistungen wie Gesundheit, Erziehung, soziale Sicherheit, Trinkwasser und Müllentsorgung durch die Förderung von kommunalen Verbänden und durch einen Wissenstransfer von Unternehmen öffentlicher Dienstleistungen der EU fördern. Die Rüstungsausgaben und Verteidigungshaushalte seien daher zu reduzieren, um die entsprechenden Mittel dazu bereitzustellen, die Basisversorgung der ganzen Bevölkerung sicherzustellen.

17) Die Prozesse der Integration seien so zu gestalten, dass die kommerziellen Aspekte den Entwicklungsbedürfnissen mit Souveränität und Identität jeder einzelner der Andennationen und Völker untergeordnet werden. Die Krisen, die sich auf verschiedenen Ebenen der Integration zeigten, müssten als Chancen begriffen werden, mit denen diese überwunden werden könnten. Die CAN und alle südamerikanischen Regierungen und Völker stellten sich der Herausforderung, ihre Irrtümer zu überwinden und neue Integrationsprozesse mit den Völkern und für die Völker im Rahmen der Gemeinschaft der südamerikanischen Nationen zu entwerfen.

 

Die hier dargelegten Positionen Boliviens widersprechen einigen zentralen Imperativen des Freihandelspostulats im Allgemeinen und den eigentlichen Zwecken von Freihandelsabkommen als solchen. Im Konkreten widersprechen die Forderungen Boliviens den von der EU-Kommission geforderten Anschluss an die Singapurthemen und die Unterordnung unter das bisherige WTO-Regelwerk wie bspw. in der Stellungnahme des Europaparlaments für Verhandlungsleitlinien mit der CAN dargelegt (vgl. Europäisches Parlament 23.10.2006).

Dieser im Herbst 2006 vorgeschlagene Entwurf für eine Erklärung des Europaparlaments zur Verhandlung empfiehlt ein Assoziationsabkommen, das auf politischen und institutionellen Kapitel zur Verstärkung des demokratischen Dialogs und der politischen Zusammenarbeit-, einem Kapitel über die Zusammenarbeit zur Förderung einer nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und einem handelspolitischen Kapitel zur Errichtung einer fortgeschrittenen Freihandelszone basiert. Das Handelskapitel soll neben der schrittweisen und gegenseitigen Liberalisierung des Handels mit Gütern und Dienstleistungen auch auf Investitionen ausgeweitet werden, sowie auf das öffentliche Auftrags-/ Beschaffungswesen, auf den Schutz des geistigen Eigentums, die Zusammenarbeit im Wettbewerbsbereich sowie auf handelspolitische Schutzinstrumente, -Handelserleichterungen und einen verbindlichen Streitbeilegungsmechanismus (vgl. ebd.). In der o.a. Erklärung wird zur Schaffung einer Freihandelszone in Übereinstimmung mit dem Transparenzmechanismus der WTO und den Rechten und Pflichten, die sich aus der WTO ergeben, insbesondere aus Artikel XXIV des GATT und Artikel V des GATS aufgefordert und das über die derzeitigen und künftigen Verpflichtungen der Handelspartner im Rahmen der WTO hinausgeht. Es soll in einer Übergangszeit von höchstens zehn Jahren eine Freihandelszone geschaffen werden, die, ohne einen Sektor auszuklammern, der besonderen Sensibilität bestimmter Produkte in einer Weise Rechnung trägt, die so wenig restriktiv wie möglich ist.

Eine gewisse Anerkennung von Asymmetrien und Berücksichtigung der Forderungen Boliviens findet sich unter dem Stichwort ‚Differenzierte Sonderbehandlung’. Es soll eine nicht ganz vollständige Gegenseitigkeit anerkannt werden, um sicherzustellen, dass die ausgehandelte Freihandelszone die Zugeständnisse entsprechend dem Entwicklungsniveau und Grad der sektoralen Wettbewerbsfähigkeit der beiden Regionen ausgleicht.

Des Weiteren sind ein Kapitel über Menschenrechte und eine Demokratieklausel vorgesehen.

Ferner wird die Wirtschaftsintegration der Andenländer im Rahmen des europäischen APS fortgeschrieben und dieses System als eigenständiges Handelssystem anerkannt, das den Andenländern zugute käme und keiner Revision bedürfe. Ein besondere Zugang für Agrarprodukte aus den Andenländer (wie das bspw. Bolivien fordert) hinge dementsprechend von der Flexibilität der EU im Bereich der Landwirtschaft von den Fortschritten in anderen Bereichen, wie dem Marktzugang für Nicht-Agrarerzeugnisse (NAMA) und Dienstleistungen, sowie von anderen Agrarfragen ab, die nicht den Marktzugang betreffen (vgl. ebd.). Eine abschließende Erklärung des Europarlaments zu den Verhandlungsleitlinien ist für März 2007 zu erwarten und wird durch den Einfluss von Menschrechtsorganisationen allerdings nur partielle Änderungen erfahren.

Würde dieser Entwurf einer Erklärung des Europaparlaments angenommen, so liefe dieser auf die Politik einer ‚WTO plus-Regelung’ hinaus. Während des Verhandlungsprozesses fallen die Forderungen Boliviens als politischer Faktor durchaus ins Gewicht; zielen sie doch auf die von der EU postulierte soziale Kohäsion ab, bzw. stellen den Kohärenzanspruch der EU-Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik zur CAN-Region insofern in Frage, als in ihnen konkret die Berücksichtigung von Asymmetrien gefordert wird, auf die zumindest explizit Bezug genommen wird. Eine bilaterale Sonderbehandlung Boliviens in den Kernthemen (insbesondere betreffend Investitionsschutz, Patente, Dienstleistungen und Agrarhandel) ist dennoch kaum zu erwarten und es liegt auch keine explizite offizielle Stellungnahme der EU zu den Vorschlägen vor. Unserer Einschätzung nach könnten bestenfalls in Abweichung der WTO-Regeln partielle Zugeständnisse eingeräumt, die ausgewählte Marktzugänge und Zollpräferenzen Boliviens umfassen. Dabei könnte es vor allem um Zugeständnisse im Bereich Kooperation zur Entwicklung und Entschuldung gehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4. Schlussfolgerungen

 

Aus der prospektiven Analyse der möglichen Ausrichtung der Abkommen zwischen EU-CAN und EU-SICA und der Analyse der Interessenlagen lassen sich hinsichtlich der Gewichtung des Themas der sozialen Kohärenz bestenfalls vorsichtige Schlussfolgerungen ableiten. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass die oben beschriebene Polarisierungs- und Desintegrationsprozesse den Verhandlungsprozess der Assoziationsabkommen EU-CAN und EU-SICA 2007 in Frage stellen könnten.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt halten wir die Konzentration auf vier Gesichtspunkte für wichtig:

 

1. Die interregionalen Integrationsprozesse in Zentralamerika wie auch in den Andenländern vertiefen sich nur partiell, ohne dass dadurch bei den Makrobedingungen und Asymmetrien relevante Verschiebungen zu erwarten wären. Eine politische Orientierung auf eine zunehmende Konsolidierung regionaler Prozesse vs. des Abschlusses von Assoziationsabkommen mit der EU zur Stärkung endogener Entwicklung/ nachhaltiger Entwicklung et al sind für die Regionen CAN und SICA gegenwärtig keine realpolitische Perspektive. Überlegungen in diese Richtung sind an Staaten und Regierungen adressiert, die untereinander keine homogenen Blöcke darstellen und insgesamt einem neoliberalen Mainstream angehören. Gewisse Ausnahmen bilden ggf. die neue Regierung Nicaraguas und die Regierung Boliviens, die jedoch in den betreffenden Regionen ökonomisch die jeweils schwächsten Glieder darstellen. In der Literatur wird vielfach betont, dass der zunehmende Bilateralismus (insbesondere mit den USA) der eher stärkeren Staaten wie Costa Rica und Kolumbien eine multilaterale regionale Integration  und damit auch eine gemeinsame Position für längere Anpassungszeiten vor einem In-Kraft-Treten von Handelsöffnungen (wie etwa von CIFCA 2006 gefordert) unterminiert.

 

2. Der Druck zivilgesellschaftlicher Akteure hat im Bündnis mit alternativen Konzeptionen wie ALBA und TCP zur Problematisierung zentraler Verhandlungsthemen auf Diskursebene und auf Lobbyebene beigetragen. Ein Ansatzpunkt ist hierbei zweifellos das Thema der sozialen Kohärenz. Eine Unterstützung von Alternativkonzeptionen der Regierungen Boliviens und Venezuelas geht dabei noch einen Schritt weiter. Da diese Akteure jedoch gleichzeitig realpolitische Lösungsvorschläge unterbreiten möchten, sind ALBA und TCP nicht als tatsächliche ökonomische Konzeptionen zu bewerten, sondern eher als politisches Argument sozialer Bewegungen. Auf realpolitischer Ebene bietet sich u.E. an, die 17 Kriterien der bolivianischen Regierung zu einem Assoziationsabkommen zwischen der CAN und der EU in den Vordergrund zu stellen.

 

3. Zivilgesellschaftliche Akteure fordern die Aufnahme einer ‚Demokratieklausel’ in den Assoziationsabkommen EU-SICA und EU-CAN und die Einführung konkreter Observations- und Partizipationsmechanismen. Diese Forderung wird auf der Agenda der Lobbyarbeit stehen, jedoch keine Bedeutung haben, wenn sie nicht von der Mehrheit der verhandlungsführenden lateinamerikanischen Regierungen aufgegriffen wird. Dies ist gegenwärtig jedoch kaum zu erwarten und lässt sich nicht über den Umweg internationaler menschenrechtlicher Verpflichtungen durchsetzen. Die Aufgaben solcher Mechanismen (Demokratieklausel, Observatorium, Assessment) sind überdies noch genau zu definieren; geht es doch im Prinzip um einen Impactobservatorium, das nicht anschließen darf an das technische Assessmentverfahren der EU, das unter der Bezeichnung SIA (Sustainability Impact Evaluation) geführt wird.

 

4. Im Sinne der bolivianischen Verhandlungskriterien muss u.E. insbesondere darauf hingearbeitet werden, die Priorität der EU der Singapurthemen der WTO zu kritisieren und ein zivilgesellschaftliches Assessment vor allem auf diese Themen zu konzentrieren (prospektiv in diesen Regionen und evaluativ in Bezug auf die Abkommen EU-Mexiko und EU-Chile).

 

 

5. Verwendete Dokumente

 

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ALOP/ APRODEV/ CIFCA/ Grupo Sur: Un acuerdo de asociación Unión Europea – América Central orientado hacia el desarrollo humano es posible. Brüssel, November 2006

 

ALOP/ APRODEV/ Confederación Europea de Sindicatos CES/ Coalición Flamenca para la Cooperación Norte-Sur/ Grupo Sur: Por un acuerdo de Asociación Unión Europea – CAN. A favor del desarrollo sostenible. La Consolidación Democrática y la Cohesión Social. Brüssel. 15.11.2006

 

Agencia Periodística del MERCOSUR (APM): Declaración del canciller brasileño. Queremos que Bolivia sea miembro pleno del Mercosur. Mar del Plata/ Argentinien, 1.11.2006

 

Alianza Social Continental (ASC): LAS ORGANIZACIONES DE LA SOCIEDAD CIVIL HACIA LA CONSTRUCCIÓN DE LA COMUNIDAD SUDAMERICANA DE NACIONES. Presentado a Ministros y Viceministros de la CSN en Santiago de Chile, 22 y 23 de noviembre de 2006

 

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1]             Der Wahlsieger der nicaraguanischen Wahlen vom 5. November 2006, die linksgerichtete Frente Sandinista (FSLN) strebte demgegenüber die Neuverhandlung von CAFTA an und unterstützt die Konzeption ALBA (Alternativa Bolivariana para las Américas), während die Haltung zur Integration mit der EU völlig unklar scheint (vgl. FSLN: Programa del Gobierno de Reconciliación y Unidad Nacional 2006). Ein Austritt aus CAFTA ist aufgrund der großen wirtschaftlichen Abhängigkeit Nicaraguas von den USA u.E. gegenwärtig als Rhetorik zu verstehen. Auch ist die Programmatik der FSLN nicht im eigentlichen Sinne ‚links’, sondern sehr nationalistisch-populistisch mit einer sehr stark religiös esoterischen Ideologie-Mix, die allerdings fatale Folgen für die originären Inhalte der FSLN hatte: Im Bündnis mit der katholischen Kirche und den rechten Parteien stimmte die FSLN im September 2006 einem generellen Abtreibungsverbot zu und setzte sich damit im Gegensatz zu den emanzipatorischen Bewegungen und wird inhaltlich zu keinem wirklich problematischen Gegenpart. Eher ist zu erwarten, dass eine FSLN-Regierung im Bündnis mit der neoliberalen Rechten nach dem Vorbild Perus (Wiederkehr der Regierung Garcia mit Unterstützung seiner neoliberalen Vorgänger und Gegner) eine wirklich politische Opposition präventiv verhindert hat und nach dem Willen der US-Regierung auch sollte (denn es gab eine solche trotz Brüchen in der FSLN (Konkurrenzkandidatur eines Flügels) als dezidiert anti-neoliberales Projekt nie).

[2]    So wurde bspw. am 23. und 24. Oktober 2006 in Costa Rica ein allgemeiner Streik im öffentlichen Sektor durchgeführt, der sich gegen die Haltung der costaricanischen Regierung richtete, keinen Raum für Nachverhandlungen über Schutzmaßnahmen zu gewähren.

[3]    Ende 2006 wurde vermutet, dass die neue Linksregierung Ecuadors (Rafael Correa) eine Annäherung an den Mercosur anstrebt.