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Erstmals Aussage gegen argentinische Militärs vor deutschem Gericht!

Pressemitteilung der Koalition gegen Straflosigkeit, Nürnberg, 20. Juni 1999

 

Erstmals Aussage gegen argentinische Militärs vor deutschem Gericht!


Am Dienstag den 15. Juni 99 um 14.00 Uhr wird in Nürnberg zum ersten Mal seit Ende der Militärdiktatur in Argentinien 1983, ein Opfer der argentinischen Repression, Betina Ehrenhaus (41) vor der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen argentinische Militärs aussagen.


Die Aussage wird vor Staatsanwalt Fischer und Oberstaatsanwalt Grandpair gemacht. Frau Ehrenhaus wird von ihren Rechtsanwälten Wolfgang Wiesheier und Claus Richter begleitet.



Das Schicksal von Betina Ruth Ehrenhaus


Am 5.08.1979, als Betina Ruth Ehrenhaus (21) und ihr Partner Pablo Armando Lepíscopo, auf dem Heimweg von einem Besuch bei den Eltern von Pablo Lepíscopo waren, wurde ihr Auto von einem Ford Falcon und einem Peugeot gestoppt. Mehrere Personen mit großkalibrigen Waffen stiegen aus den beiden Fahrzeugen aus. Betina Ehrenhaus und Pablo Lepíscopo wurden getrennt in je eines der Fahrzeuge geschleppt. Betina Ehrenhaus wurden die Hände gefesselt und eine Kapuze über den Kopf gezogen. Dann mußte sie sich auf den Autoboden legen.


Sie hielten an einem Ort, an dem Betina Ehrenhaus die Geräusche von Flugzeugen und Zügen hören konnte. Die Entführer folterten Betina Ehrenhaus mit Elektroschocks, sie schlugen sie. Betina Ehrenhaus mußte sich nackt ausziehen und wurde von ihren Folterknechten sexuell misbraucht. Während ihrer etwa dreitägigen Gefangenschaft bekam Frau Ehrenhaus nur ein Glas Milch zu trinken. Ab und zu vernahm sie Männerstimmen, die sich mit Decknamen anriefen und im Hintergrund hörte sie leise Musik.


Am Morgen des 7.08.1979 wurde Betina Ehrenhaus in ein Auto geschleppt und schließlich gefesselt und vermummt in einem Stadtteil von Buenos Aires freigelassen. Ihr Partner Pablo Armando Lepíscopo ist bis heute ‘verschwunden’. Betina Ehrenhaus hatte am Tag ihrer Entführung ihren deutschen Paß bei sich. Sie erhielt weder Ihren Paß noch sonst einen ihrer persönlichen Gegenstände zurück.


Hintergrund I der Zeugenaussage


Am 7. Mai 1998, wurde im Bundesministerium der Justiz (BMJ) Strafanzeige gegen 41 Mitglieder der argentinischen Sicherheitskräfte der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 eingereicht. Stellvertretend für über 70 Fälle Deutscher und Deutschstämmiger Verschwundener und Ermordeter wurden die Rechtsanwälte Wolfgang Wiesheier und Claus Richter von der "Kommission der Mütter und Familienangehörigen der verhafteten-verschwundenen Deutschen und Deutschstämmigen in Argentinien" beauftragt, vier Fälle vor der deutschen Justiz zur Strafanzeige zu bringen. (Inzwischen liegen bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth 5 Strafanzeigen vor). Die Strafanzeigen wurden gegen 41 Personen wegen des Verdachts der Geiselnahme, der gefährlichen Körperverletzung und des Mordes erstattet.


Unter den genannten Personen befinden sich viele bekannte Militärs wie der von der Militärjunta eingesetzte ehemalige Staatspräsident Jorge Rafael Videla oder der berüchtigte Divisionsgeneral Carlos Guillermo Suarez Mason. Letzterer ist für mindestens 43 Fälle von Mord verantwortlich. Er flüchtete nach dem Ende der Militärdiktatur in die USA, wurde aber nach Argentinien ausgeliefert. In Argentinien kam Carlos Guillermo Suárez Mason in den "Genuß" der Straffreiheit durch das Amnestiegesetz von Präsident Menem im Jahre 1990.



Hintergrund II der Zeugenaussage


Auf Einladung der "Koalition gegen Straflosigkeit" werden vom 15. - 30. Juni 1999 VertreterInnen der deutschen Familienangehörigen in Begleitung eines Rechtsanwaltes in Deutschland sein. Während dieser Zeit werden auch neue Strafanzeigen eingereicht.


Die Reiseteilnehmer sind:

Betina Ehrenhaus, selbst Opfer von Menschenrechtsverletzung und eine der ersten Anzeigeerstatterinnen in Deutschland


Marcelo von Schmeling, Familienangehöriger (Vater und Schwester sind verschwunden)


Horacio Ravenna, Rechtsanwalt und Vertreter des argentinischen Netzwerkes "Comisión pro jucio en Alemania" Kommission für einen Prozeß in Deutschland.



Bisher geplante Reisestationen sind Nürnberg, Stuttgart, Bonn und Berlin.


Im Rahmen des Evang. Kirchentages in Stuttgart findet am Donnerstag, den 17. Juni von


16:30 - 18:30 ein öffentliche Veranstaltung zusammen mit Prof. Dr. Dorothee Sölle statt.


Ort: Peace House, Forststr. 72, Stuttgart West.


Nähere Informationen zur Rundreise, sowie zu den geplanten Strafanzeigen, oder Anfragen zu Interviews bei:


Koalition gegen Straflosigkeit

c/o Nürnberger Menschenrechtszentrum

Kampagnenkoordinator: Esteban Cuya, Tel.: 0911 230 55 50 Fax: -51


Sprecher der Koalition:


Kuno Hauck, Tel: 0911-9354 352. Tel: 0172-99471 55


Rechtsanwälte:


Claus Richter, Tel: 0911 437 210


Wolfgang Wiesheier, Tel 0911 741 84 14


ViSdP: Kuno Hauck und Esteban Cuya


Mitgliedsorganisationen: Aktionszentrum Arme Welt, Tübingen, Amnesty International Argentinien Koordinationsgruppe, Stuttgart, Argentiniengruppe, Stuttgart, Diakonisches Werk der EKD, Menschenrechtsreferat, Stuttgart, Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL), Berlin, Kirchlicher Entwicklungsdienst Bayern, Nürnberg, Kommission für Menschenrechte des Vereins der Richter und Staatsanwälte und des Anwaltsvereins, Freiburg, Koordination der Argentiniengruppen in Deutschland, Berlin, Misereor, Aachen; Missionszentrale der Franziskaner, Bonn, Nürnberger Menschenrechtszentrum, Pax Christi L.A. Solidarität, Düsseldorf, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, Hannover, Word University Service, Wiesbaden