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Pressemitteilung, Berlin, 14.10.2008: Protest gegen Ausweisung aus Kolumbien

Pressemitteilung, Berlin, 14.10.2008

Protest gegen Ausweisung aus Kolumbien


Berlin, 14.10.2008: Übergabe einer Protestpetition gegen willkürliche Ausweisung einer deutschen Menschenrechtsbeobachterin durch kolumbianische Behörden an die kolumbianische Botschafterin am Dienstag, 14.10.2008 um 16 Uhr, Botschaft der Republik Kolumbien, Kurfürstenstraße 84 (5. Etage), 10787 Berlin.

Die Kommunikationswissenschaftlerin Friederike Müller, die sich auf eine Einladung kolumbianischer Menschenrechtsorganisationen hin in Kolumbien aufgehalten hatte, ist am 2. Oktober 2008 auf Anordnung der Sicherheitsbehörde DAS (Departamento Administrativo de Seguridad) der Stadt Cali aus Kolumbien abgeschoben worden. Zudem wurde ein siebenjähriges Wiedereinreiseverbot gegen die Deutsche verhängt.

Anlässlich der Ausweisung von Friederike Müller werden die Kolumbienkampagne Berlin gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Heike Hänsel sowie mit Vertretern von kolko e.V. Menschenrechte für Kolumbien und des FDCL (Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile – Lateinamerika) heute, 14. Oktober 2008 um 16 Uhr der kolumbianischen Botschafterin in Berlin, Victoriana Mejía Marulanda, eine Protestpetition überreichen. Die Petition ist von 18 Initiativen und 101 Einzelpersonen unterzeichnet worden.

„Die Umstände der Ausweisung waren absolut unrechtmäßig”erklärt Juliane Meier, Sprecherin der Kolumbienkampagne Berlin. Friederike Müller sei ohne richterliche Anordnung und ohne Angabe von Gründen von der kolumbianischen Sicherheitsbehörde DAS der Stadt Cali festgehalten worden. Weiterhin sei ihr das Recht auf konsularischen Beistand sowie die Kontaktaufnahme mit einem Anwalt bis 15 Minuten vor der Abschiebung verwehrt worden.

In ihrer Petition verurteilt die Kolumbienkampagne die „völlig willkürliche und ungerechtfertigte”Abschiebung „auf das Schärfste”. Die Maßnahme sei ein Akt der Willkür gegenüber der Arbeit internationaler Menschenrechtsorganisationen in dem südamerikanischen Land. Eine derartige Politik zeige, dass die amtierende Regierung die Beobachtung und Dokumentation von aktuell in Kolumbien begangenen Menschenrechtsverletzungen behindern wolle.

In dem Protestschreiben fordern die Unterzeichner den kolumbianischen Staat u.a. dazu auf, die Umstände der Ausweisung zu untersuchen, das Einreiseverbot gegen Friederike Müller aufzuheben und die Arbeit kolumbianischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen nicht zu behindern.


Für Rückfragen zu dieser Presseinformation:
Juliane Meier (Kolumbienkampagne Berlin), Tel. 0172 3129865 oder 0163 5696568

Weitere Informationen können Sie auch per E-Mail erhalten: Kontakt: kolumbienkampagne(at)emdash.org

 


Petition gegen die Ausweisung von Friederike Müller

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, haben mit großer Besorgnis die Umstände, unter denen die deutsche Staatsangehörige Friederike Müller am 2. Oktober 2008 durch die kolumbianische Sicherheitsbehörde DAS (Departamento Administrativo de Seguridad) der Stadt Santiago de Cali, Valle del Cauca, aus Kolumbien ausgewiesen wurde zur Kenntnis genommen und verurteilen diese Vorkommnisse aufs Schärfste.

Der Sachverhalt:


1. Friederike Müller war im Rahmen internationaler Begleitarbeit des Solidaritätsnetzwerkes "Red de Hermandad" in Kolumbien. Ihr Aufenthalt hatte das Ziel, die Arbeit der Menschenrechtsorganisationen in verschiedenen Regionen des Landes kennen zu lernen und die Auswirkungen von Menschenrechtsverletzungen in verschiedenen Regionen des Landes zu dokumentieren. Sie war von der Nichtregierungsorganisation Cos-Pacc (Corporación Social Para la Asesoría y Capacitación Comunitaria) eingeladen worden und hatte von der kolumbianischen Sicherheitsbehörde DAS die Einreiseerlaubnis „Permiso Temporal Visitante" (Art. 56.2. des Regierungserlasses 4000 aus dem Jahr 2004) erhalten.

2. Am 1. Oktober 2008 reiste Friederike Müller nach Cali, Valle de Cauca, um Vertreter der Menschenrechtsorganisationen FCSPP (Fundación Comité de Solidaridad con los Presos Políticos) und NOMADESC (Asociación Para la Investigación y Acción Social) zu treffen und sich über die Menschenrechtssituation vor Ort zu informieren.

3. Am selben Tag um ca. 17:30 Uhr befand sich Friederike Müller in Begleitung eines Mitarbeiters des FCSPP und eines Mitarbeiters der Metallarbeitergewerkschaft SINTRAMETAL am Platz „San Francisco”in der Stadt Cali, wo zu diesem Zeitpunkt eine öffentliche Kundgebung stattfand. Friederike hatte sich in keiner Weise aktiv an dieser Veranstaltung beteiligt, noch das Interesse sich an dieser Veranstaltung aktiv zu beteiligen.

4. Als sie den Platz verlassen wollte, wurde Friederike Müller von fünf in zivil gekleideten Beamten des DAS - ohne dass diese sich offiziell auswiesen - angehalten und - ohne Angabe der Gründe - mit einem Taxi in die Einrichtungen des DAS überführt.

5. Den herbeigerufenen Anwälten von NOMADESC und FCSPP, die unmittelbar nach dem Vorfall das Gebäude des DAS aufsuchten, wurde kein Zutritt zu ihrer Mandantin gewährt. Zunächst wurde ihnen gegenüber verleugnet, dass sich Friederike Müller überhaupt dort aufhalte. Erst Stunden später wurde dies bestätigt und erklärt, dass Friederike Müller einer Überprüfung ihres Aufenthaltsstatus in Kolumbien unterzogen werde.

6. Friederike Müller wurde dazu genötigt, ihr Mobiltelefon auszuschalten und abzugeben. Es wurde ihr nicht ermöglicht, sich telefonisch mit einem Vertreter von COS-PACC oder einem Anwalt in Verbindung zu setzen. Ihr wurde konsularischer Beistand verweigert. Sie wurde einem ausführlichem Verhör unterzogen. Obwohl Friederike Müller dies forderte, wurden ihre Anwälte nicht zu ihrer Mandantin vorgelassen. Das Personal des DAS weigerte sich, eine schriftliche Anfrage der Anwälte über die Gründe für die Ingewahrsamnahme entgegen zu nehmen.

7. Mit der Resolution No.123-170246 DAS.DGOP.SEX vom 1. Oktober 2008 der Subdirektion der Ausländerabteilung des DAS wurde die Ausweisung von Friederike Müller verfügt. In dem entsprechenden Schreiben wird ihre Ausweisung mit der Behauptung gerechtfertigt, Friederike Müller habe sich aktiv an einem Protestmarsch der Zuckerrohrarbeiter beteiligt. Zudem wird erklärt, dass sie zu der behaupteten Beteiligung unter keinen Umständen berechtigt gewesen sei. Es werden weder Beweise, noch Zeugen oder Zeugenaussagen angeführt, die diesen Vorwurf bekräftigen.

8. Friederike Müller hatte zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen, Rechtsberatung oder Vertretung durch einen Anwalt in Anspruch zu nehmen oder Widerspruch gegen die Entscheidung ihrer Ausweisung einzulegen.

9. Am 2. Oktober 2008 um 13:40 wurde die Abschiebung von Friederike Müller aus Kolumbien durch das DAS vollzogen.

Wir stellen fest:

a) Die Ausweisung wurde unter Missachtung internationaler rechtlicher Standards durchgeführt:

b) Die Beamten, die die Ingewahrsamnahme durchführten, hatten sich zu keinem Zeitpunkt ausgewiesen, noch eine Begründung für die anschließende Freiheitsentziehung genannt und Friederike Müller mit einem öffentlichen Verkehrsmittel abtransportiert.
Dieser gesamte Vorgang ist illegal.

c) Friederike Müller wurde ohne richterliche Anordnung festgehalten und ohne ihr die Gründe für den Gewahrsam mitzuteilen.

d) Zwischen dem 1.Oktober und dem Morgen des 2. Oktober wurde ihr das Recht auf Kommunikation und konsularischen Beistand durch die Sicherheitsbehörde DAS verwehrt.

e) Friederike Müller wurde verboten, mit ihrem Anwalt zu sprechen; ihre Anwesenheit in den Einrichtungen des DAS wurde gegenüber Anwälten geleugnet.

f) Friederike Müller wurde ohne Begleitung eines Anwalts einem ausführlichen Verhör unterzogen.


Die Ausweisung von Friederike Müller hat deren Arbeit zur Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen verhindert. Die Ausweisung schafft aufgrund der Intransparenz und der im Widerspruch zu internationalem Recht stehenden Vorgehensweise Unsicherheit bei anderen ausländischen, in Kolumbien arbeitenden Organisationen und beeinträchtigt somit deren Arbeit. Wir sind äußerst besorgt über diese Praxis. Die kolumbianische Regierung hat wiederholt erklärt, sich um eine Verbesserung der Menschenrechtssituation zu bemühen. Wir sind überzeugt, dass internationale Beobachter einen wichtigen Beitrag in diesem Sinne leisten und hoffen, dass die kolumbianische Regierung diese Arbeit entsprechend respektiert und unterstützt.


Wir fordern die Republik Kolumbien dazu auf:


1. Dass die kolumbianische Regierung öffentlich und unmissverständlich erklärt, wie sie den Beitrag internationaler Menschenrechtsbeobachter für Demokratie und Rechtsstaat in Kolumbien bewertet und wie sie ihre Arbeit unterstützt, bzw. unterstützen möchte.

2. Dass die kolumbianische Regierung Garantien und Rechtssicherheit für den Aufenthalt und die Arbeit von Ausländern in Kolumbien gibt, welche ihre Arbeit im Rahmen der kolumbianischen Gesetze leisten.

3. Dass die kolumbianische Regierung öffentlich und unmissverständlich erklärt, dass kolumbianische und ausländische Menschenrechtsorganisationen, die Begleit- und Informationsarbeit leisten, ihre Arbeit ohne Behinderungen, Einschüchterungen und Übergriffe durchführen können und dass die kolumbianische Regierung alle ihr
untergeordneten Instanzen und Behörden anweist, in diesem Sinne zu handeln.

4. Dass die kolumbianische Regierung das Vorgehen gegen Friederike Müller erklärt, insbesondere erklärt, was eventuelle, in der Ausweisungsverfügung No.123-170246 DAS.DGOP.SEX erwähnten „geheimdienstlichen Informationen" besagen, mit denen Ihre
Ausweisung begründet worden ist.

5. Dass die Rechtmäßigkeit des gesamten Vorgangs zur Ausweisung von Friederike Müller einer kritischen Überprüfung unterzogen wird, dass alle Unregelmäßigkeiten erklärt werden und für entstandene Schäden Wiedergutmachung erfolgt.

6. Dass die Verfügung zur Ausweisung von Friederike Müller mit der Nummer 123-170246 DAS.DGOP.SEX widerrufen und das siebenjährige Wiedereinreiseverbot zurückgenommen wird.

7. Dass gegen die Mitarbeiter des DAS, die für Friederike Müllers Verhaftung und Festsetzung und die ihr gegenüber begangenen Rechtsbrüche verantwortlich sind, Untersuchungen und disziplinarische Maßnahmen eingeleitet werden.

8. Dass die Regierung und der Kongress die gesetzlichen Regelungen über Visavergabe, Kontrolle von Ausländern, Migration, Ausweisung und Abschiebung derart gestalten, dass sie verfassungs- und menschenrechtskonform sind.