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Freihandel und industrielle Entwicklung

Ein Projekt des Forschungs- und Dokumentationszentrums Chile-Lateinamerika - FDCL e.V.


Projekt-Aktivitäten

 

Hintergrund

Ein zunehmend wichtiger Streitpunkt bi- und multilateraler Freihandelsverhandlungen sind die Auswirkungen der Liberalisierung auf die industrielle Entwicklung peripherer Ökonomien. Vor allem einige fortgeschrittenere Entwicklungsländer aus Lateinamerika und Asien setzen sich in konzertierterer Form als in früheren Jahren für die Erweiterung ihrer industriepolitischen Handlungsspielräume ein, die durch das auf reziproke Liberalisierungsverpflichtungen abzielende internationale Handelsregime immer stärker eingeengt werden.

Diese Bemühungen blieben nicht erfolglos: So vereitelte eine breite Koalition aus dem Süden bei der Konferenz der Welthandelsorganisation 2003 in Cancún den Versuch der EU, ein globales Investitionsabkommen zu verhandeln, das nach der WTO-Logik auf erleichterten Marktzugang und eben nicht den Schutz der "Infant Industries" im Süden ausgelegt wäre. Ebenso gehen Entwicklungsländer beim Thema der Industriezölle in Stellung: Sie wehren sich gegen die von Industriestaaten geforderte deutliche Absenkung ihres Außenschutzes gegen Industriegüterimporte, eine Auseinandersetzung, die in der WTO unter dem Stichwort NAMA, Non-Agricultural Market Access, firmiert. Schließlich ergriff eine Gruppe von 14 Regierungen unter Führung Brasiliens und Argentiniens die Initiative für eine Entwicklungsagenda bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum, WIPO. Ihr Ziel ist eine entwicklungsorientierte Reform der internationalen Normsetzung beim geistigen Eigentum, die durch Beschränkungen von Copyrights und Patenten einen Technologie- und Wissenstransfer in Richtung Süden ermöglichen würde. Diese Initiative richtet sich zugleich gegen die mit dem TRIPS-Abkommen der WTO forcierte Globalisierung des geistigen Eigentumsschutzes nach dem Vorbild des US-amerikanischen und europäischen Patentrechts.

Die auf multilateraler Ebene ausgetragenen Kämpfe im Spannungsfeld "Freihandel versus industrielle Entwicklung" finden ihre Fortsetzung im Kontext bilateraler und interregionaler Liberalisierungsverhandlungen. Diese Verhandlungsebene verdient weit höhere Aufmerksamkeit als es derzeit der Fall ist: Bilaterale und interregionale Verhandlungen ermöglichen wesentlich tiefere Eingriffe in nationale entwicklungs- und industriepolitische Steuerungen als es im multilateralen Rahmen jemals möglich wäre ("WTO-plus"). So umfassen beispielsweise die laufenden Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und dem MERCOSUR über eine interregionale Freihandelszone die im Rahmen der WTO vorläufig gescheiterten Investitionsregelungen.

Nicht zuletzt spielen sich die Auseinandersetzungen um industrielle Entwicklung vor dem Hintergrund der die heutige Weltarbeitsteilung prägenden, hierarchisch strukturierten und von transnationalen Konzernen beherrschten internationalen Produktionsnetzwerke ab. Einzelne Länder vor allem in Lateinamerika und Asien vermochten sich als subalterne Produktionsstandorte in diese globalen Netzwerke zu integrieren, so in der Automobil-, Elektro- oder Nahrungsmittelindustrie. Deren hierarchische Strukturen werden dabei nicht nur durch das Handelsregime gestützt, sondern perspektivisch auch durch die Entwicklungspolitik. So schlägt eine Konzeptstudie im Auftrag von BMZ und GTZ vor, die "Value Chain Readiness" kleiner und mittlerer Unternehmen in Entwicklungsländern zu erhöhen und sie durch PPP-Maßnahmen an die "Lead Firms" der Produktionsnetze zu binden. Die sozialen, arbeitspolitischen und wettbewerblichen Folgen einer derartigen Förderung globaler Wertschöpfungsmonopole bleiben aber ausgeblendet.

 

Zielsetzung
Das FDCL möchte mit diesem Projekt eine Grundlage für eine breiter angelegte Diskussion zwischen sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen in Lateinamerika und Europa über das bisher vernachlässigte Thema der industriellen Entwicklung liefern. Angesichts der skizzierten Formierung eines internationalen Handelsregimes, das periphere Ökonomien in prekärer Form in internationale Produktionsnetzwerke einbindet, erscheint uns die Diskussion zivilgesellschaftlicher Interventionsmöglichkeiten im Sinne entwicklungs- und handelspolitischer Kohärenz drängender denn je. Mit diesem Vorhaben leistet das FDCL zugleich einen regionalspezifischen Beitrag zu den im Rahmen der WTO geführten Auseinandersetzungen um entwicklungsgerechte, industriellen Fortschritt im Süden begünstigende globale Handelsregeln. Das Vorhaben zielt darauf ab, Analysen und Kritik aus dem gewerkschaftlichen und dem weiteren zivilgesellschaftlichen Bereich in der EU und Lateinamerika zusammenzuführen sowie die Handlungsfähigkeit in diesem Themenfeld zu erhöhen.

 

Projekt-Aktivitäten