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Inhalt
Vorworte des Herausgebers
"Sojarepublik" Paraguay?
Steigende Nachfrage nach Soja: Ausweitung des Anbaus und Infrastrukturausbau
Vorwort des Autors
I. Historische Heranführung
II. Die Ausdehnung des Sojaanbaus
III. Der kleinbäuerliche Lebensraum
IV. Das Auseinanderfallen der Gemeinden wegen des Eindringens der Soja
Arbeit außerhalb des kleinbäuerlichen Betriebes
Verpachten des Landes
Verkauf des Landes
V. Das Verschwinden von Gemeinden und die Zerstörung der Landschaft
Ein Wirtschaftsmodell, welches die Campesinos vertreibt
VI. Gesundheitsprobleme für Mensch und Umwelt
1. Fallbeispiel: Umweltgesundheitsdiagnose in Lote 8
2. Fallbeispiel: Der Todesfall von Silvino Talavera
VII. Soja bedeutet Gewalt gegen Bauerngemeinden
3. Fallbeispiel: Tekojoja, die Grenze zu “Sojalandia”?
Aktuelle Lage
VIII.Die Vertreibung
Lebensbedingungen und Schwierigkeiten der Vertriebenen
IX. Schlussfolgerung: Verletzung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte als Hauptfaktor der Landflucht
X. Ausblick
Endnoten
Vorworte des Herausgebers
„Sojarepublik”Paraguay?
Paraguay zählt zu den in Lateinamerika am meisten
von der Landwirtschaft geprägten Ländern: Fast 40
Prozent der Bevölkerung arbeitet in der Landwirt-
schaft, die mit 24,9 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt
beiträgt. Dabei weist Paraguay mit etwa 80 Prozent
der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen im Besitz
von nur 2 Prozent der Bevölkerung eine der höchs-
ten Landkonzentrationen auf. Kleinbauern und Frauen
sind die Hauptleidtragenden dieser Besitzkonzentrati-
on: Erhebungen zufolge beträgt der prozentuale An-
teil von Land im Besitz von Frauen, bezogen auf die
nominal gezählten Landtitel, gerade einmal zehn Pro-
zent, ein Ausdruck der bestehenden patriarchalischen
Strukturen in der Titelvergabe für Land. Paraguay liegt
mit einem Wert von 0,757 an 91. Stelle des Human
Development Index 2006 (HDI 2006) sowie mit einem
HPI-1-Rank von 8,3 Prozent an 14. Stelle des Human
Poverty Index for developing countries 2006 (HPI-1
ranks for 102 developing countries and areas). Die Ar-
mutsquote auf dem Land liegt bei 35 Prozent, die aber
als Folge der massiven Landflucht seit 1997 von der
Armut in städtischen Zonen übertroffen wird.
Die Sojabohne ist mit Abstand nicht nur das wich-
tigste Exportprodukt des Landes, sondern mit 38 Pro-
zent der gesamten landwirtschaftlichen Produktion
auch der zentrale Pfeiler der paraguayischen Wirt-
schaft. Paraguays hauptsächliche Sojaanbaugebiete
liegen im Osten und Süden des Landes, sind somit
direkt Teil des 50 Millionen Hektar umfassenden so
genannten „Sojagürtels Südamerikas”, der des wei-
teren den Süden Brasiliens, Nord-Argentinien sowie
das östliche Bolivien umfaßt. Rund 90 Prozent der in
Paraguay angebauten Soja besteht aus der gentech-
nisch veränderten Monsanto-Sorte Roundup Ready.
Das Land war gegen Ende des Sojazyklus‘ 2006/2007
mit ca. 6 Millionen Tonnen der weltweit sechstgrößte
Produzent von Soja. Im Jahre 2007 wurde Paraguay
mit annähernd 4,6 Millionen Tonnen exportierter
Soja zum viertgrößter Exporteur von Soja, wobei sich
durch den Export verarbeiteter Produkte der Export-
anteil auf bis zu 80 Prozent des gesamten produzier-
ten Sojas steigerte. Die Regierung Paraguays setzte
bislang vor allem auf den Export der Soja, so im Na-
tionalen Plan für landwirtschaftliche und ländliche
Entwicklung (2004 bis 2008), der die oberste Prio-
rität auf die Steigerung der Agrarexporte, vor allem
Soja, setzt.
Das immense Interesse vor allem auch ausländischer
Investoren an Land für Sojaanbau in Paraguay ist
auch den dort vorteilhaften Böden zuzuschreiben: Der
durchschnittliche Hektarertrag lag, vor allem im Osten
und Süden des Landes, je nach Saison zwischen 1.700
kg/ha (2006) bis 2.600 kg/ha (2001), ca. 5-10 Prozent
über den vergleichbaren durchschnittlichen Erträgen
im benachbarten Argentinien. All diese Umstände so-
wie die bisherige Regierungspolitik, die mit aller Ent-
schlossenheit darauf ausgerichtet war, massive Devi-
seneinahmen über den Export der Bohne zu generieren
und dabei „Kolateralschäden”wissentlich zu billigen bis
politisch gewollt in Kauf zu nehmen, lassen Paraguay
nicht zuletzt in den Augen ausländischer Investoren in
ihrem Run auf Land wie ein „Paradies”erscheinen.
Im Sojazyklus 2006/2007 wurde auf fast 2,5 Millionen
Hektar Soja angebaut. Im Anbauzyklus 2007/2008
wurden auf annähernd 2,7 Millionen Hektar Soja
angebaut. Davon sind 80% in ausländischer Hand,
meistens deutschstämmiger Brasilianer, den so ge-
nannten brasiguayos. Diese wurden seit Mitte der
1970er Jahre zuerst im Departamento Alto Paraná
von der Diktatur Stroessner angesiedelt, auch um die
nach dem blutig niedergeschlagenem Aufstand der
Bauernguerillas systematisch von der Diktatur ver-
triebene Landbevölkerung zu ersetzen.
Steigende Nachfrage nach Soja: Ausweitung des Anbaus und Infrastrukturausbau
Die weltweite Nachfrage nach Soja als Tierfutter und
für Agrokraftstoffe treibt die Preise für Soja weiter
nach oben. Soja-Unternehmen wandelten alleine
im Jahr 2007 deshalb weitere 400.000 Hektar Land
in Plantagen um. Die Soja-Lobby erwartet in den
nächsten Jahren eine Ausdehnung der Sojanbauflä-
che auf 4 Millionen Hektar. Schätzungen des größten
Sojaproduzenten des Landes, Colonias Unidas, zufol-
ge, würden sich bis zu 7 Millionen Hektar landwirt-
schaftliche Flächen in Paraguay „problemlos”für den
Sojaanbau eignen.
Hinzu kommt, dass wegen des Sojabooms nicht nur
die Sojafarmer und die Regierung Paraguays, sondern
auch die benachbarten Staaten, allen voran Brasilien,
den massiven Ausbau der Infrastruktur für den Trans-
port der Ressourcen der „Wunderbohne”vehement
fordern und mittlerweile planen: Regelrechte Export-
korridore sollen trotz erheblicher ökologischer und
sozialer Bedenken und Warnungen seitens der Zivil-
gesellschaft und sozialen Bewegungen eingerichtet
werden durch den Ausbau von Straße und Schiene
und vor allem der Wasserstraßen („Eje Rio Paraguay
- Rio Paraná”und „Eje Capricornio”im Rahmen der
interregionalen Infrastrukturinitiative Südamerikas
IIRSA). Hinzu kommen Großprojekte wie der Ausbau
der Inlandshäfen - wie der von Cargill in Asuncíon
- und der Übersee-Exporthäfen im Süden Brasiliens
bis hin zu dem von Ethanolfarmern erwünschten An-
schluß an eine der geplanten neuen brasilianischen
Ethanol-Pipelines, Maringá - Paranaguá, die dann im
Rahmen der so genannten „Ethanol-Allianz”mit Bra-
silien die ebenfalls rasant wachsenden Zuckerrohr-
anbaugebiete im Osten Paraguays mit den südbra-
silianischen Exporthäfen - und damit nicht zuletzt
auch mit den Märkten europäischer Benzinschlucker
verbinden soll. - Es steht zu befürchten, dass klein-
bäuerliche Landwirtschaft diesen massiven Ausbau-
plänen entgegensteht.
A n die Wahl von Fernando Lugo zum neuen Präsi-
denten Paraguays knüpfen sich nun auch viele Hoff-
nungen der sozialen Bewegungen, dass dem Voran-
schreiten der Sojafront Einhalt geboten wird - und
die kleinbäuerliche Landwirtschaft in ihrem Kampf
um Ernährungssouveränität und gegen die Auswei-
tung der Sojafront, gegen Landvertreibung und Pes-
tizidbesprühungen Unterstützung finde.
Das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-
Lateinamerika - FDCL dokumentiert in dieser Studie
des Autors Reto Sonderegger die seit Jahren massiv
voranschreitende Sojafront in Paraguay und die sich
mit dem Ausweiten der Sojamonokulturen ergeben-
den Konflikte um Land und Ernährungssouveränität.
Der Autor, Reto Sonderegger, lebt seit einer Reihe von
Jahren in Paraguay, arbeitet dort mit sozialen Bewe-
gungen und lokalen Bauernorganisationen zusammen
und kennt die vielfältigen Probleme der Kleinbauern
aus nächster Nähe. Eindrucksvoll schildert Sondereg-
ger die Konflikte im ländlichen Raum Paraguays und
weist mit Nachdruck darauf hin, dass angesichts der
dreifachen globalen Krise – Nahrungsmittel-, Ener-
gie- und Klimakrise – ein Paradigmenwechsel in der
Landwirtschaft und der Restgesellschaft unumgäng-
lich ist: in Paraguay wie überall auf der Welt.
Christian Russau
FDCL, Berlin.
November 2008
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Diese Publikation wurde gefördert mit Mitteln der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, des Evangelischen Entwicklungsdienst e.V. (EED) und der Stiftung Umverteilen!
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This publication was elaborated within the framework of the cooperation-project "Handel-Entwicklung-Menschenrechte" of the Heinrich Böll Foundation (hbs), the Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL), and the Transnational Institute (TNI). More information at: