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Sojarepublik Paraguay ?

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Konflikte um Land und Ernährungssouveränität

von Reto Sonderegger

© FDCL, Berlin, November 2008
1. Auflage

Herausgegeben von: Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika – FDCL e.V.
Gneisenaustraße 2a
D-10961 Berlin
Fon: +49-(0)30-693 40 29
Fax: +49-(0)30-692 65 90
Bestellung: archiv(at)fdcl.org
Internet: www.fdcl.org

Autor:     Reto Sonderegger
Verlag:    FDCL-Verlag, Berlin
Layout:    Mathias Hohmann
Druck:     agit Druck, Berlin

ISBN-10: 3-923020-42-2
ISBN-13: 978-3-923020-42-3

 


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Inhalt

 

Vorworte des Herausgebers
 "Sojarepublik" Paraguay?
  Steigende Nachfrage nach Soja: Ausweitung des Anbaus und Infrastrukturausbau

Vorwort des Autors
I.   Historische Heranführung

II.  Die Ausdehnung des Sojaanbaus

III. Der kleinbäuerliche Lebensraum

IV.  Das Auseinanderfallen der Gemeinden wegen des Eindringens der Soja
     Arbeit außerhalb des kleinbäuerlichen Betriebes
     Verpachten des Landes
     Verkauf des Landes

V.   Das Verschwinden von Gemeinden und die Zerstörung der Landschaft
     Ein Wirtschaftsmodell, welches die Campesinos vertreibt

VI.  Gesundheitsprobleme für Mensch und Umwelt
     1. Fallbeispiel: Umweltgesundheitsdiagnose in Lote 8
     2. Fallbeispiel: Der Todesfall von Silvino Talavera

VII. Soja bedeutet Gewalt gegen Bauerngemeinden
     3. Fallbeispiel: Tekojoja, die Grenze zu “Sojalandia”?
     Aktuelle Lage

VIII.Die Vertreibung
     Lebensbedingungen und Schwierigkeiten der Vertriebenen

IX.  Schlussfolgerung: Verletzung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte als Hauptfaktor der Landflucht

X.   Ausblick

Endnoten


Vorwort des Herausgebers

Vorworte des Herausgebers

„Sojarepublik”Paraguay?


Paraguay zählt zu den in Lateinamerika am meisten

von der Landwirtschaft geprägten Ländern: Fast 40

Prozent der Bevölkerung arbeitet in der Landwirt-

schaft, die mit 24,9 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt

beiträgt. Dabei weist Paraguay mit etwa 80 Prozent

der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen im Besitz

von nur 2 Prozent der Bevölkerung eine der höchs-

ten Landkonzentrationen auf. Kleinbauern und Frauen

sind die Hauptleidtragenden dieser Besitzkonzentrati-

on: Erhebungen zufolge beträgt der prozentuale An-

teil von Land im Besitz von Frauen, bezogen auf die

nominal gezählten Landtitel, gerade einmal zehn Pro-

zent, ein Ausdruck der bestehenden patriarchalischen

Strukturen in der Titelvergabe für Land. Paraguay liegt

mit einem Wert von 0,757 an 91. Stelle des Human

Development Index 2006 (HDI 2006) sowie mit einem

HPI-1-Rank von 8,3 Prozent an 14. Stelle des Human

Poverty Index for developing countries 2006 (HPI-1

ranks for 102 developing countries and areas). Die Ar-

mutsquote auf dem Land liegt bei 35 Prozent, die aber

als Folge der massiven Landflucht seit 1997 von der

Armut in städtischen Zonen übertroffen wird.


Die Sojabohne ist mit Abstand nicht nur das wich-

tigste Exportprodukt des Landes, sondern mit 38 Pro-

zent der gesamten landwirtschaftlichen Produktion

auch der zentrale Pfeiler der paraguayischen Wirt-

schaft. Paraguays hauptsächliche Sojaanbaugebiete

liegen im Osten und Süden des Landes, sind somit

direkt Teil des 50 Millionen Hektar umfassenden so

genannten „Sojagürtels Südamerikas”, der des wei-

teren den Süden Brasiliens, Nord-Argentinien sowie

das östliche Bolivien umfaßt. Rund 90 Prozent der in

Paraguay angebauten Soja besteht aus der gentech-

nisch veränderten Monsanto-Sorte Roundup Ready.


Das Land war gegen Ende des Sojazyklus‘ 2006/2007

mit ca. 6 Millionen Tonnen der weltweit sechstgrößte

Produzent von Soja. Im Jahre 2007 wurde Paraguay

mit annähernd 4,6 Millionen Tonnen exportierter

Soja zum viertgrößter Exporteur von Soja, wobei sich

durch den Export verarbeiteter Produkte der Export-

anteil auf bis zu 80 Prozent des gesamten produzier-

ten Sojas steigerte. Die Regierung Paraguays setzte

bislang vor allem auf den Export der Soja, so im Na-

tionalen Plan für landwirtschaftliche und ländliche

Entwicklung (2004 bis 2008), der die oberste Prio-

rität auf die Steigerung der Agrarexporte, vor allem

Soja, setzt.


Das immense Interesse vor allem auch ausländischer

Investoren an Land für Sojaanbau in Paraguay ist

auch den dort vorteilhaften Böden zuzuschreiben: Der

durchschnittliche Hektarertrag lag, vor allem im Osten

und Süden des Landes, je nach Saison zwischen 1.700

kg/ha (2006) bis 2.600 kg/ha (2001), ca. 5-10 Prozent

über den vergleichbaren durchschnittlichen Erträgen

im benachbarten Argentinien. All diese Umstände so-

wie die bisherige Regierungspolitik, die mit aller Ent-

schlossenheit darauf ausgerichtet war, massive Devi-

seneinahmen über den Export der Bohne zu generieren

und dabei „Kolateralschäden”wissentlich zu billigen bis

politisch gewollt in Kauf zu nehmen, lassen Paraguay

nicht zuletzt in den Augen ausländischer Investoren in

ihrem Run auf Land wie ein „Paradies”erscheinen.


Im Sojazyklus 2006/2007 wurde auf fast 2,5 Millionen

Hektar Soja angebaut. Im Anbauzyklus 2007/2008

wurden auf annähernd 2,7 Millionen Hektar Soja

angebaut. Davon sind 80% in ausländischer Hand,

meistens deutschstämmiger Brasilianer, den so ge-

nannten brasiguayos. Diese wurden seit Mitte der

1970er Jahre zuerst im Departamento Alto Paraná

von der Diktatur Stroessner angesiedelt, auch um die

nach dem blutig niedergeschlagenem Aufstand der

Bauernguerillas systematisch von der Diktatur ver-

triebene Landbevölkerung zu ersetzen.



Steigende Nachfrage nach Soja: Ausweitung des Anbaus und Infrastrukturausbau


Die weltweite Nachfrage nach Soja als Tierfutter und

für Agrokraftstoffe treibt die Preise für Soja weiter

nach oben. Soja-Unternehmen wandelten alleine

im Jahr 2007 deshalb weitere 400.000 Hektar Land

in Plantagen um. Die Soja-Lobby erwartet in den

nächsten Jahren eine Ausdehnung der Sojanbauflä-

che auf 4 Millionen Hektar. Schätzungen des größten

Sojaproduzenten des Landes, Colonias Unidas, zufol-

ge, würden sich bis zu 7 Millionen Hektar landwirt-

schaftliche Flächen in Paraguay „problemlos”für den

Sojaanbau eignen.


Hinzu kommt, dass wegen des Sojabooms nicht nur

die Sojafarmer und die Regierung Paraguays, sondern

auch die benachbarten Staaten, allen voran Brasilien,

den massiven Ausbau der Infrastruktur für den Trans-

port der Ressourcen der „Wunderbohne”vehement

fordern und mittlerweile planen: Regelrechte Export-

korridore sollen trotz erheblicher ökologischer und

sozialer Bedenken und Warnungen seitens der Zivil-

gesellschaft und sozialen Bewegungen eingerichtet

werden durch den Ausbau von Straße und Schiene

und vor allem der Wasserstraßen („Eje Rio Paraguay

- Rio Paraná”und „Eje Capricornio”im Rahmen der

interregionalen Infrastrukturinitiative Südamerikas

IIRSA). Hinzu kommen Großprojekte wie der Ausbau

der Inlandshäfen - wie der von Cargill in Asuncíon

- und der Übersee-Exporthäfen im Süden Brasiliens

bis hin zu dem von Ethanolfarmern erwünschten An-

schluß an eine der geplanten neuen brasilianischen

Ethanol-Pipelines, Maringá - Paranaguá, die dann im

Rahmen der so genannten „Ethanol-Allianz”mit Bra-

silien die ebenfalls rasant wachsenden Zuckerrohr-

anbaugebiete im Osten Paraguays mit den südbra-

silianischen Exporthäfen - und damit nicht zuletzt

auch mit den Märkten europäischer Benzinschlucker

verbinden soll. - Es steht zu befürchten, dass klein-

bäuerliche Landwirtschaft diesen massiven Ausbau-

plänen entgegensteht.


A n die Wahl von Fernando Lugo zum neuen Präsi-

denten Paraguays knüpfen sich nun auch viele Hoff-

nungen der sozialen Bewegungen, dass dem Voran-

schreiten der Sojafront Einhalt geboten wird - und

die kleinbäuerliche Landwirtschaft in ihrem Kampf

um Ernährungssouveränität und gegen die Auswei-

tung der Sojafront, gegen Landvertreibung und Pes-

tizidbesprühungen Unterstützung finde.


Das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-

Lateinamerika - FDCL dokumentiert in dieser Studie

des Autors Reto Sonderegger die seit Jahren massiv

voranschreitende Sojafront in Paraguay und die sich

mit dem Ausweiten der Sojamonokulturen ergeben-

den Konflikte um Land und Ernährungssouveränität.

Der Autor, Reto Sonderegger, lebt seit einer Reihe von

Jahren in Paraguay, arbeitet dort mit sozialen Bewe-

gungen und lokalen Bauernorganisationen zusammen

und kennt die vielfältigen Probleme der Kleinbauern

aus nächster Nähe. Eindrucksvoll schildert Sondereg-

ger die Konflikte im ländlichen Raum Paraguays und

weist mit Nachdruck darauf hin, dass angesichts der

dreifachen globalen Krise – Nahrungsmittel-, Ener-

gie- und Klimakrise – ein Paradigmenwechsel in der

Landwirtschaft und der Restgesellschaft unumgäng-

lich ist: in Paraguay wie überall auf der Welt.

Christian Russau

FDCL, Berlin.

November 2008


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Diese Publikation wurde gefördert mit Mitteln der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, des Evangelischen Entwicklungsdienst e.V. (EED) und der Stiftung Umverteilen!



 

 

This publication was made possible through the financial support of the European Community. The opinions expressed therein represent the opinion of the author and do not represent the official opinion of the European Community.

This publication  was elaborated within the framework of the cooperation-project "Handel-Entwicklung-Menschenrechte" of the Heinrich Böll Foundation (hbs), the Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL), and the Transnational Institute (TNI). More information at:

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