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contraste - Monatszeitung für Selbstorganisation (April 2006)

Dogmatische Helfer

Deutschlands Rolle bei der Wasserprivatisierung in Bolivien

von Thomas Fritz (FDCL)

Anfang vergangenen Jahres drangen erstmals Informationen über die Rolle der Bundesrepublik bei der Wasserprivatisierung in Bolivien an die hiesige Öffentlichkeit. Anlass waren die massiven deutschen Interventionen im Zusammenhang der gescheiterten Privatisierung in der bolivianischen Hauptstadt La Paz und ihrer Nachbarstadt El Alto.
Nach anhaltenden Protesten der Vereinigung der Nachbarschaftsräte FEJUVE in El Alto erließ der damalige Präsident Boliviens, Carlos Mesa, im Januar 2005 ein Dekret, das die Auflösung des Versorgungsvertrags mit dem Konsortium ‚Aguas del Illimani' vorsah. Unter Führung des französischen Wassermultis Suez war diesem Konsortium 1997 die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung in La Paz und El Alto übertragen worden. Steigende Tarife und Anschlussgebühren sowie die Nichterfüllung von Versorgungszielen brachte die Bevölkerung in der Folge gegen Suez auf. In El Alto blieben 200.000 Menschen von der Versorgung ausgeschlossen. In dieser Situation intervenierten die deutschen Entwicklungsagenturen gemeinsam mit dem Wirtschaftsattaché und der deutschen Botschaft: Sie beklagten sich über das Präsidentendekret, forderten ein "gemischtes" Unternehmen mit Privatsektorbeteiligung und legten ein in Aussicht gestelltes Darlehen der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auf Eis.
Daraufhin drohte die FEJUVE El Altos, die bis heute für ein partizipatives öffentlich-soziales Unternehmen kämpft, mit der Besetzung des Büros der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in La Paz. Die deutsche Kooperation gefiel sich jedoch darin, den Protest zu diskreditieren. Während der Wirtschaftsattaché Johannes Lehne von "radikalen Gruppen" sprach, meinte der KfW-Mitarbeiter Stefan Zeeb, den Nachbarschaftsräten ginge es "vornehmlich um die Beendigung der Konzession für ‚Aguas del Illimami' und weniger um die Erhöhung der Zahl der Wasseranschlüsse oder die Senkung der Anschlussgebühren". Der seinerzeitige Vorsitzende der geschmähten FEJUVE, Abel Mamani, ist heute Wasserminister in der neuen linken Regierung des Präsidenten Evo Morales.

El Alto ist kein Einzelfall
Es ist nicht das erste Mal, dass die deutsche Entwicklungshilfe für Konflikte in Bolivien sorgt. Denn sie begnügt sich keineswegs damit, deutsche Steuergelder in eine verbesserte Wasserinfrastruktur zu kanalisieren. Vielmehr übt vor allem ihre technische Hilfe maßgeblichen Einfluss auf die Regulierung des Wassersektors sowie auf Politik, Ministerien und Behörden aus. So war die GTZ an der Ausformulierung von Gesetzen und Dekreten beteiligt, die einer schleichenden Kommerzialisierung den Weg bereiten. Aus ihrer Feder stammt der offizielle ‚Plan Bolivia', der die "Zersplitterung" in viele kleine Versorger durch "strategische Allianzen" zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen zu überwinden trachtet.
Bereits an dem ersten großen sozialen Konflikt der letzten Jahre, dem sogenannten ‚Wasserkrieg' von Cochabamba, der im April 2000 zur Kündigung des Konzessionsvertrags mit dem US-Multi Bechtel führte, waren die deutschen Helfer nicht ganz unbeteiligt. Die wochenlangen Auseinandersetzungen in Cochabamba richteten sich nämlich nicht nur gegen die Privatisierung, sondern zugleich gegen das kurz zuvor erlassene Gesetz 2029. Dieses sah die Vergabe von Konzessionen im gesamten Wassersektor einschließlich der Quellen vor und bedrohte damit die Rechte tausender Kooperativen, indigener Gemeinschaften und Wasserkomitees an ihren selbstverwalteten Systemen. An diesem Gesetz war die GTZ nach Aussage der ‚Coordinadora de Defensa del Agua y la Vida' in Cochabamba maßgeblich beteiligt. Im Zuge des Wasserkrieges kämpfte diese BürgerInnenbewegung jedoch erfolgreich für dessen Revision, sodass es seither spezifische Rechtstitel (‚licencia' und ‚registro') zum Schutz der selbstverwalteten Wassersysteme enthält.

Widerstand gegen Aktienmodell
Im April 2002 brachte die GTZ die Regierung dazu, das Präsidialdekret 26587 zu verabschieden, welches eine Rechtsgrundlage für regionale Wasserzweckbände in der Form gemischtwirtschaftlicher Aktiengesellschaften schuf, die sogenannten EPSA SAM (‚Sociedades Anónimas Mixtas'). Bereits vor der Verabschiedung des Dekrets hatte die GTZ damit begonnen, diese Aktiengesellschaften in zwei Regionen umzusetzen: im Norden des Departamento Potosí (EPSA SAM Bustillo) und im bolivianischen Chaco (EPSA SAM Chaco). Beim Versuch, einen weiteren Zweckverband in den Orten Colcapirhua und Tiquipaya einzuführen, kam es 2003 zu Protesten von Campesinos und Wasserkomitees, die mit staatlicher Repression von Polizei und Militär beantwortet wurden und mehrere Schwerverletzte hinterließen. Im April 2005 schließlich besetzten Nachbarschaftskomitees das Büro der EPSA SAM Bustillo in der Minenstadt Llallagua. Sie protestierten gegen die befürchtete Privatisierung und forderten die Umwandlung in ein kommunales Unternehmen.
Nach dem EPSA SAM-Modell bringen mehrere Gemeinden, lokale Genossenschaften und kommunale Wasserunternehmen ihr Vermögen in einen regionalen Zweckverband ein, der dafür Aktienanteile ausgibt. Diese verteilen sich auf Gemeinden, Genossenschaften und die Bevölkerung. Die KfW finanziert Investitionen, die GTZ setzt das Modell um. Da die EPSA SAMs dem privatrechtlichen ‚Código de Comercio' unterliegen, lassen sich die Aktien allerdings grundsätzlich veräußern, was die Furcht vor Privatisierung nährt. Die zuständigen GTZ-MitarbeiterInnen beteuern zwar, der Aktienhandel sei nahezu ausgeschlossen, das Modell lässt sich aber lokal unterschiedlich ausgestalten. Den Privatisierungsverdacht hat die deutsche Kooperation mit ihren Interventionen zugunsten von Suez in La Paz dabei selbst genährt. Hinzu kommt, dass die regionalen Zweckverbände zu Konzessionsgebieten erklärt werden, in denen die alternativen Rechtstitel ‚licencia' und ‚registro' zum Schutz der selbstverwalteten Wassersysteme keinen Bestand hätten.
Angesichts dieser schlechten Erfahrungen ruft das von der Regierung Morales neu geschaffene Wasserministerium die internationale Kooperation dazu auf, die Initiativen von Entwicklungsländern "ohne irgendeine Form von Auflagen zur Privatisierung der Wasser- und Sanitärversorgung" zu unterstützen. Es bleibt abzuwarten, ob die deutsche Entwicklungszusammenarbeit diesen Ruf erhört.

Thomas Fritz
Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika - FDCL

 

Diese Publikation ist Teil des FDCL-Projektes "Schleichende Privatisierung",

gefördert von der Bewegungsstiftung.

Mehr Informationen zum FDCL-Projekt "Schleichende Privatisierung: Das "deutsche Modell" der Wasserversorgung in Bolivien".

 


 

FDCL-Website Stichworte: Wasser, Entwicklungshilfekritik, Privatisierung, Widerstand, Soziale Bewegungen