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Fachtagung

PATENTED NEW WORLD

Patente versus Entwicklung? Internationales "Geistiges Eigentumsrecht" im Nord-Süd-Konflikt

Fachtagung der Heinrich-Böll-Stiftung (hbs) und des Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) vom 02.-03.06.2005

 

Research plus statt TRIPS plus: Wissenspolitik für die Pharmaforschung



Die Pharmaforschung ist das Paradebeispiel, wenn das Zusammenspiel von Forschung, Innovation und Patentschutz erläutert werden soll. Forschung ist teuer, aber notwendig, denn sie führt zu Innovationen und verbessert die öffentliche Gesundheit. Zur Refinanzierung braucht sie den Patentschutz, der den Pharmauntemehmen für bis zu 20 Jahre Monopolpreise gestattet. Pharmaforschung und Entwicklung aber sind sogar zu teuer. Sie sind ineffektiv (hohe Rate an scheiternden Entwicklungen, Überwiegen von „me-too"-Produkten ohne signifikante Wirkungssteigerung, sehr wenige Entwicklungen in bisher vernachlässigten Bereichen, die keine großen Märkte erwarten lassen; das gilt im internationalen Maßstab (neglected diseases), aber auch mit Bezug auf zu kleine Patientenpopulationen wie z.B. Kinder) und ineffizient (dem großen Umfang öffentlicher Mittel/Beiträge der Versicherten entspricht kein entsprechender Zuwachs an öffentlicher Gesundheit). Die Food and Drug Administration (FDA), US Behörde für die Zulassung neuer Medikamente, stellt fest, dass die Entwicklung neuer Medikamente nicht Schritt hält mit dem Tempo der Entwicklung neuer wissenschaftlicher und technischer Entdeckungen und Erfindungen. Als Grund nennt sie die Unfähigkeit, im Rahmen des herrschenden Businessmodells - private Pharmaforschung und Pharmaproduktion, die über die patentgeschützten Monopolpreise refinanziert werden sollen - systematische Lernprozesse einzuleiten. Wo Patente als temporäre Monopole den Markt ausschalten, werden Lernprozesse erschwert. Die FDA schlägt deshalb vor, die vielen Informationen, die bei erfolgreichen, vor allem aber bei scheiternden Pharmaentwicklungen anfallen, öffentlich zugänglich zu machen und für künftige Entwicklungen zu nutzen. US Bundesstaaten kämpfen für die Möglichkeit des Imports preiswerter Generica für Wirkstoffkombinationen, die in den USA noch durch Patente geschützt und deshalb sehr viel teurer sind. Der gemeinsame Ausschuss von Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Krankenkassen beschließt, dass der Preis für sogenannte „me-too" Pharmazeutika in Höhe der Preise für Generica gedeckelt werden soll, obwohl diese Pharmazeutika gültigen Patentschutz haben und Monopolpreise gestatten müßten. Das Gesundheitsministerium bestätigt, dass in diesen Fällen der Patentschutz nicht vor Preisfestlegungen schütze. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine „Commission on Intellectual Property Rights, Innovation and Public Health" eingesetzt, die unter dem Vorsitz von Ruth Dreifuss bis 2006 Vorschläge entwickeln soll „for improvements to the current incentive and funding regimes, including intellectual property rights, designed to stimulate the creation of new medicines and other products, and facilitate access to them". Die World Intellectual Property Organization (WIPO) hat aufgrund großen Drucks der internationalen Zivilgesellschaft und einer Reihe von Schwellenländem wie Brasilien, Argentinien und Indien auf ihrer jüngsten Generalversammlung beschlossen, sich nicht mehr ausschließlich der Durchsetzung eines einheitlichen IPR-Systems zu widmen, sondern wieder die Frage nach den Zielen dieses Systems zu stellen: die Förderung öffentlicher Güter, insbesondere öffentlicher Gesundheit, um derentwillen es auch sinnvoll und notwendig sein kann, den Schutz von IPR-Ansprüchen einzuschränken oder gar zu brechen.
Das herrschende Businessmodell legt es hingegen nahe. den Patentschutz weltweit zu verstärken, um Ineffektivität und Ineffizienz auszugleichen. Sah die Doha Declaration noch den flexiblen Umgang mit dem TRIPS Abkommen vor („we affirm that the Agreement can and should be mterpreted and implemented in a manner supportive ofWTO Member's right to protect public health and, in particular, to promote access to medicines for all"). so haben die bilateralen Verträge, die seitdem zwischen den USA und EU auf der einen und zahlreichen Ländern und Ländergruppen auf der anderen Seite abgeschlossen wurden, diese Flexibilitäten (z.B. die Möglichkeit zur Zwangslizensierung) durch ein strikteres „TRIPS plus" ausgeschlossen. Dagegen gibt es weitweit Widerstand. Meist wird das TRIPS Agreement pauschal als einseitiges Instrument der Verfestigung ungleicher Ausgangsbedingungen abgelehnt: schließlich „werden 90 Prozent aller Patente in den entwickelten Industrie- und Wissensgesellschaften gehalten. Aber selbst die, die sich auf die Logik hinter TRIPS und dem IPR Regime einlassen, diskutierien heute Alternativen. Das Ziel der Pharmapatenticrung ist die Steigerung der öffentlichen Gesundheit durch Finanzierung aufwendiger Forschung und Entwicklung. Welche Wege können beschritten werden, um diese Ziele zu erreichen und die offensichtlichen Ineffizienzen des IPR Systems zu vermeiden. Hier kommen Modelle der Open Source Pharmaforschung, der effektivitäts- und wettbewerbssteigernden Veröffentlichung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen in der Public Domain ins Spiel. So erhofft man sich wirksame und nachhaltige Medikamente von der open source Forschung an unbeabsichtigten und nicht vorausgesehenen Nebenwirkungen. Ebenso wurde durch die FDA die Veröffentlichung abgebrochener Forschungsreihen angeregt und in zahlreichen Erklärungen der forschenden Pharmaindustrie bereits positiv aufgegriffen.