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Presseinformation der Koalition gegen Straflosigkeit
10.12.2001 (Tag der Menschenrechte)

 

Überraschende Wende im Fall Elisabeth Käsemann
Deutsche Bundesregierung klagt in Argentinien: Begnadigungsgesetze sind verfassungswidrig

 

Einmaliges Vorgehen in der Rechtsgeschichte

„Ich glaube, so etwas hat es in der Rechtsgeschichte noch nicht gegeben: Ein souveräner Staat, nämlich Deutschland, ruft die Gerichte eines anderen souveränen Staates (Argentinien) an, um dort Klage zu führen, dass die von der argentinischen Regierung erlassenen Begnadigungsdekrete für die Befehlshaber der geheimen Haftlager sowohl das nationale argentinische
Recht als auch das Völkerrecht verletzt haben”, so der Anwalt der deutschen Botschaft in Buenos Aires, Prof. Zuppi.

 

Klage der Bundesrepublik

Am Freitag den 7.12.2001 nahm ein argentinisches Gericht diese Klage der Bundesrepublik zur Befassung an. Dieses Verfahren, das bisher ohne Beispiel ist, hat international große Beachtung gefunden.

 

Vorgeschichte

Zur Vorgeschichte: 1990 wurden durch die Begnadigungsdekrete des Präsidenten Menem in Argentinien alle Prozesse wegen der massiven Menschenrechtsverletzungen der Militär-Diktatur (1976-83) eingestellt, und die bis dahin Verurteilten freigelassen. Durch Anklagen im Ausland versucht die Menschenrechtsbewegung seitdem, wenigstens einen Teil der
Verantwortlichen noch vor Gericht zu bringen. In Deutschland sind derzeit 31 Fälle von in Argentinien „verschwundenen”Deutschen und Deutschstämmigen anhängig, darunter der prominente Fall der Tübingerin Elisabeth Käsemann. Die Theologiestudentin und Sozialarbeiterin lebte in Buenos Aires. Sie wurde 1977 in ein geheimes Haftlager verschleppt und dann ermordet.

Das Amtsgericht Nürnberg hatte im Sommer 2001 einen Auslieferungsantrag gegen den argentinischen General a.D. Suárez Mason gestellt, dem die Entführung, Folterung und Ermordung von Elisabeth Käsemann vorgeworfen wird.

Der deutsche Auslieferungsantrag war am 15.11.2001 abgelehnt worden – ebenso wie ähnliche Anträge aus Spanien oder Italien – mit der Begründung, dass eine Auslieferung eine „Einschränkung der argentinischen Souveränität bedeuten würde”.


Gleichzeitig gab die argentinische Regierung an, der General a.D. sei wegen seiner Verantwortlichkeit in diesem Fall bereits begnadigt worden, und könne deshalb kein 2. Mal in derselben Sache angeklagt werden.

Die deutsche Regierung besteht jedoch auf ihrer Forderung. Anders als bisher die Regierungen von Italien und Spanien betonte sie ihr Interesse an dem Fall, indem sie den international renommierten Strafrechtsexperten Prof. Zuppi mit dem Fall Käsemann/ Suárez Mason beauftragte.

In ihrem durch Prof. Zuppi jetzt eingereichten Einspruch stellt die Bundesregierung die Verfassungsmäßigkeit der Begnadigung Suárez Masons in Frage, und zwar in doppelter Hinsicht: Suárez Mason war zum Zeitpunkt seiner Begnadigung noch nicht verurteilt. Nach der argentinischen Verfassung darf ein Täter aber erst nach seiner Verurteilung begnadigt werden. Außerdem hatten die Begnadigungen laut Rechtsanwalt Zuppi den Charakter einer verdeckten Amnestie, und diese ist in Fällen schwerster
Menschenrechtsverletzungen unvereinbar mit dem Völkerrecht.

Die „Kommission der Angehörigen der in Argentinien verschwundenen Deutschen”reichte ihrerseits eine Beschwerde vor der
interamerikanischen Menschenrechtskommission (der OAS) ein, wegen der vorschnellen Ablehnung der argentinischen Regierung, die die Entscheidung der Justiz im Fall des deutschen Auslieferungsverfahrens gar nicht erst abgewartet hatte.

Auch für die „Koalition gegen Straflosigkeit”, die den Fall Elisabeth Käsemann im Namen der Angehörigen beim Amtsgericht Nürnberg angezeigt hatte, kommt dieses Engagement der Bundesregierung überraschend. Dr. Konstantin Thun, Anwalt der „Koalition”: „25 Jahre lang hat die Bundesregierung bestenfalls nur höfliche Fragen gestellt. Für die Angehörigen ist es eine ungeheure Genugtuung, dass das Thema offenbar endlich ernst genommen wird.”

Kuno Hauck, Sprecher der “Koalition”: “Vor 25 Jahren reichte der Vater von Elisabeth, Prof. Ernst Käsemann, bereits eine Strafanzeige wegen der Ermordung seiner Tochter ein. Das Amtsgericht Tübingen legte den Fall damals „wegen mangelnder Amtshilfe der Argentinier”zu den Akten, ohne eigene Ermittlungen durchgeführt zu haben. Wir sind erleichtert zu sehen, dass die deutsche Justiz und die deutsche Regierung diesmal das Spiel der argentinischen Regierung nicht mehr mitmacht.”
 

Für Rückfragen:

Sprecher der Koalition:
Dr. Angelika Denzler: Tel: 0704 146630
Kuno Hauck Pfr., Tel: 0179 51 377 88 oder 0911 54 08 230

Rechtsanwalt: Roland Beckert, Tel: 0761-202 770
Rechtsanwalt: Dr. Konstantin Thun, Tel: 0761-202 770

Kampagnenkoordinator: Esteban Cuya, Tel.: 0911 230 55 50 Fax: -51

Weitergehende Hintergrundinformationen unter: http://www.menschenrechte.org

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